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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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schwierig für ihn, den Leuten direkt ins Gesicht zu sehen. Und als er sich zu sprechen entschloß, fühlte er seine Stimme zittern - denn das tat sie öfter, wenn sie hätte fest sein sollen ; auch seine Gesichtszüge zuckten manchmal unbeherrscht.
    »Beruhige dich«, sagte er schließlich mürrisch und etwas
    schwächlich. »Beruhige dich. Es gibt keinen Grund, sich so aufzuregen. Ich habe nie vorgeschlagen, Eingeborene als Mitglieder hier aufzunehmen.«
    »Ach, wirklich? Wir wissen aber alle verdammt gut, daß du es gern tun würdest. Warum gehst du sonst jeden Morgen zu
    diesem öligen kleinen Babu? Warum setzt du dich mit ihm an den Tisch, als wäre er ein weißer Mann, und trinkst aus Gläsern, die seine dreckigen schwarzen Lippen besabbert haben - es kotzt mich an, daran zu denken.«
    »Setz dich, alter Junge, setz dich«, sagte Westfield. »Vergiß es. Komm, trink eins drauf. Lohnt sich doch nicht zu streiten. Zu heiß.«
    »Mein Gott«, sagte Ellis ein bißchen ruhiger, während er ein paar Schritte auf und ab ging, »mein Gott, ich verstehe euch Jungs nicht. Ich versteh das einfach nicht. Da ist dieser alte Idiot Macgregor, und will ohne jeden Grund einen Nigge r in diesen Club bringen, und ihr sitzt alle rum und sagt kein Wort. Guter Gott, was sollen wir denn in diesem Land? Wenn wir nicht
    regieren wollen, warum hauen wir dann nicht ab? Hier sitzen wir und sollen eine Bande von verdammten schwarzen
    Schweinen regieren, die seit Menschengedenken Sklaven
    gewesen sind, und statt sie auf die einzige Art, die sie verstehen, zu beherrschen, gehen wir hin und behandeln sie wie
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    unseresgleichen. Und ihr blöden Hunde findet das alle
    selbstverständlich. Da ist Flory, sein bester Freund ist ein schwarzer Babu, der sich Doktor nennt, weil er zwei Jahre an einer indischen sogenannten Universität studiert hat. Und du, Westfield, bist stolz wie ein König auf deine jämmerlichen, bestechlichen Feiglinge von Polizisten. Und Maxwell verbringt seine Zeit damit, hinter eurasischen Nutten herzulaufen. Ja, das tust du, Maxwell; ich hab von deinem Treiben in Mandalay mit einer stinkigen kleinen Hure namens Molly Pereira gehört.
    Vermutlich hättest du sie geheiratet, wenn sie dich nicht hierher versetzt hätten? Ihr alle scheint dieses dreckige schwarze Viehzeug gern zu haben. Herrgott, ich weiß nicht, was mit uns allen los ist. Wirklich, ich weiß es nicht.«
    »Komm, trink noch einen«, sagte Westfield. »Heh, Butler!
    ‘nen Tropfen Bier, ehe das Eis schmilzt, heh? Bier, Butler!«
    Der Butler brachte einige Flaschen Münchener Bier. Ellis
    setzte sich sogleich an den Tisch zu den anderen und nahm eine der kühlen Flaschen in seine kleinen Hände. Auf seiner Stirn stand Schweiß. Er schmollte noch, war aber nicht mehr zornig.
    Er konnte jederzeit gehässig und zänkisch sein, aber seine heftigen Wutanfälle waren bald vorbei, und er entschuldigte sich nie dafür. Zänkereien gehörten zum regulären Ablauf des
    Clublebens. Mr. Lackersteen fühlte sich besser und studierte die Illustrationen in La Vie Parisienne. Es war jetzt nach neun, und der vom beißenden Rauch von Westfields Stumpen durchwehte
    Raum war zum Ersticken heiß. Allen klebte das Hemd mit dem ersten Schweiß des Tages am Rücken. Der unsichtbare Chokra, der draußen das Punkah-Seil zog, war in der Glut eingeschlafen.
    »Butler!« schrie Ellis, und als der Butler erschien, »geh und weck diesen verdammten Chokra auf!«
    »Ja, Master.«
    »Und Butler!«
    »Ja, Master?«
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    »Wieviel Eis haben wir noch?«
    »’gefähr zwanzig Pfund, Master. Wird nur heute reichen,
    glaub ich. Ich find es sehr schwer, Eis jetzt kühl zu halten.«
    »Red nicht so, zum Teufel - ›Ich find es sehr schwer!‹ Hast du ein Lexikon verschluckt? ›Bitte, Master, kann Eis nicht kühl halten‹ - so solltest du reden. Wir werden den Kerl
    rausschmeißen müssen, wenn er zu gut englisch sprechen lernt.
    Ich kann Dienstboten, die englisch sprechen, nicht ausstehen.
    Hast du gehört, Butler?«
    »Ja, Master«, sagte der Butler und zog sich zurück.
    »Gott! Kein Eis vor Montag«, sagte Westfield. »Gehst du
    wieder in den Dschungel, Flory?«
    »Ja. Ich sollte jetzt schon dort sein. Ich bin nur wegen der englischen Post gekommen.«
    »Werd selber ne kleine Rundreise machen, glaub ich, mit nem Happen vom Reisefonds. Kann das verdammte Büro in dieser
    Jahreszeit nicht ausstehen. Unter dem verdammten Punkah
    sitzen und eine Quittung nach der anderen

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