Tage in Burma
unterschreiben.
Papierkram. Gott, ich wollte, es wäre wieder Krieg!«
»Ich gehe übermorgen wieder raus«, sagte Ellis. »Kommt
diesen Sonntag nicht der verdammte Padre und hält
Gottesdienst? Jedenfalls werde ich zusehen, daß ich dann nicht da bin. Verdammte Knierei.«
»Nächsten Sonntag«, sagte Westfield. »Hab versprochen,
dafür da zu sein. Macgregor auch. Bißchen schwer für den
armen Teufel von Padre, muß ich sagen. Kommt nur alle sechs Wochen einmal her. Wir sollten doch wenigstens ne Gemeinde aufbringen, wenn er schon mal kommt.«
»Ach, zum Teufel! Ich will ja dem Padre zu Gefallen gern
Psalmen trillern, aber ich kann’s nicht ausstehen, wie diese christlichen Eingeborenen sich in unsere Kirche drängeln. Diese Bande von Madrassi-Dienstboten und Karenischen
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Schullehrern. Und dann diese beiden Gelbbäuche, Francis und Samuel die nennen sich auch Christen. Wie der Padre das
letztemal hier war, hatten sie die Frechheit, nach vorn zu kommen und sich zu den Weißen in die vordersten
Kirchenbänke zu setzen. Jemand sollte mit dem Padre darüber sprechen. Was waren wir für verdammte Idioten, daß wir je
diese Missionare auf dieses Land losgelassen haben! Bringen Basarfegern bei, sie wären so gut wie wir. ›Bitte, Sir, ich selber Christ wie Master.‹ Verdammte Frechheit.«
»Na, sind das hier nicht zwei Beine?« sagte Mr. Lackersteen und reichte La Vie Parisienne über den Tisch. »Du kannst doch Französisch, Flory; was heißt das, was da drunter steht? Mein Gott, das erinnert mich daran, wie ich in Paris war, mein erster Urlaub, bevor ich geheiratet habe. Herrgott, ich wollte, ich wär wieder dort!«
»Kennt ihr den schon ›Da war eine Dame in Woking‹?« sagte
Maxwell. Er war ein ziemlich schweigsamer junger Mann, aber wie andere junge Leute hatte er eine Vorliebe für einen guten derben Vers. Er vervollständigte die Biographie der Dame in Woking, und ein paar lachten. Westfield antwortete mit der jungen Dame aus Wangen, die hatte ein seltenes Verlangen, und Flory beteiligte sich mit dem jungen Pfarrer aus Gehlen, der ließ es an Vorsicht nicht fehlen. Wieder wurde gelacht. Selbst Ellis taute auf und zitierte mehrere Verse; Ellis’ Späße waren stets wirklich witzig und doch maßlos schmutzig. Alle wurden
heiterer und freundschaftlicher trotz der Hitze. Sie hatten das Bier ausgetrunken und wollten gerade nach dem nächsten Drink rufen, als sie draußen auf den Stufen knarrende Schuhe hörten.
Eine dröhnende Stimme, unter der die Dielenbretter erbebten, sagte sche rzend:
»Ja, ganz entschieden sehr komisch. Ich habe es in einen
meiner kleinen Artikel in Blackwood’s aufgenommen, wißt ihr.
Ich erinnere mich auch, als ich in Prome stationiert war, an noch einen ganz - äh - amüsanten Vorfall, der ...«
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Offenbar hatte Mr. Macgregor den Club betreten. Mr.
Lackersteen rief: »Teufel, da ist ja meine Frau«, und schob sein leeres Glas so weit wie möglich von sich fort. Mr. Macgregor und Mrs. Lackersteen traten zusammen in die Lounge.
Mr. Macgregor war ein großer, wuchtiger Mann, einiges über vierzig, mit einem freundlichen Mopsgesicht, und trug eine Brille mit Goldrand. Seine ausladenden Schultern und die Art, wie er den Kopf vorstreckte, erinnerten merkwürdig an eine Schildkröte - und bei den Burmanen war das auch sein
Spitzname; die ›Schildkröte‹. Er hatte einen sauberen seidenen Anzug an, der unter den Achseln schon Schweißflecken zeigte.
Er begrüßte die anderen mit einem humorig- ironischen Gruß und pflanzte sich dann strahlend vor dem Anschlagbrett auf in der Haltung eines Schulmeisters, der hinter dem Rücken mit einem Stock spielt. Die Gutmütigkeit in seinem Gesicht war ganz echt, und doch hatte er eine so vorsätzliche Herzlichkeit an sich, einen so angestrengten Eifer zu zeigen, daß er nicht im Dienst war und seinen offiziellen Rang vergaß, daß niemand sich in seiner Gegenwart ganz behaglich fühlte. Seine
Konversation hatte offensichtlich die eines humorvollen
Schullehrers oder Geistlichen, den er früher einmal gekannt hatte, zum Muster. Jedes lange Wort, jedes Zitat, jede
sprichwörtliche Redewendung figurierte in seinem Kopf als ein Scherz und wurde mit einem summenden Laut wie ›äh‹ deutlich angekündigt. Mrs. Lackersteen war eine Frau von etwa
fünfunddreißig, gut aussehend auf konturlose, lange und dünne Art, wie ein Modedruck. Sie hatte eine seufzende, mißvergnügte Stimme. Die anderen waren bei ihrem Eintritt alle
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