Tage in Burma
dem Baum und plapperte
etwas, während der alte Jäger aus einer Flasche eine trübe Flüssigkeit auf die Erde goß. Die anderen sahen mit ernsten, gelangweilten Gesichtern zu, als säßen sie in einer Kirche.
»Was machen diese Männer?« fragte Elizabeth.
»Nur ein Opfer für die Götter des Ortes. ›Nats‹ nennt man sie
- eine Art Dryaden. Sie beten zu dem Baum, damit er uns Glück bringt.«
Der Jäger kam zurück und erklärte mit brüchiger Stimme, daß sie drüben rechts einen kleinen Fleck Unterholz schlagen
müßten, bevor man zu dem Hauptdschungel weitergehen könne.
Anscheinend hatte der Nat das geraten. Der Jäger zeigte mit seinem Dab, wo sich Flory und Elizabeth hinstellen sollten. Die sechs Treiber stürzten sich in das Unterholz; sie wollten einen Umweg machen und sich zurück zu den Reisfeldern
durchschlagen. Dreißig Meter vom Rand des Dschungels
standen ein paar wilde Rosenbüsche, und hinter einem davon gingen Flory und Elizabeth in Deckung, während Ko S’la sich hinter einen anderen, nahestehenden Busch kauerte und Flo am Halsband hielt und sie streichelte, um sie ruhig zu halten. Flory schickte Ko S’la immer ein Stück weit weg, wenn er schießen wollte, denn er hatte eine irritierende Angewohnheit, mit der
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Zunge zu schnalzen, wenn ein Schuß fehlging. Bald hörte man einen weithin widerhallenden Ton - ein Klopfen und seltsam hohles Geschrei; das Treiben hatte begonnen. Elizabeth begann sofort so unkontrollierbar zu zittern, daß sie ihren Gewehrlauf nicht still halten konnte. Ein wunderschöner Vogel, ein bißchen größer als eine Drossel, mit grauen Flügeln und leuchtend
scharlachrotem Körper, brach aus den Bäumen und kam im
Tauchflug auf sie zu. Das Klopfen und Geschrei kam näher.
Einer der Büsche am Rande des Dschungels schwankte heftig -
ein großes Tier kam heraus. Elizabeth hob ihre Büchse und
bemühte sich, sie ruhig zu halten. Aber es war nur ein nackter gelber Treiber, den Dah in der Hand. Er sah, daß er hinausgekommen war, und rief den anderen zu, sie sollten zu ihm kommen.
Elizabeth ließ ihr Gewehr sinken. »Was ist geschehen?«
»Nichts. Das Treiben ist aus.«
»Es war also nichts da!« rief sie in bitterer Enttäuschung.
»Macht nichts, man kriegt nie etwas beim ersten Treiben.
Beim nächsten Mal werden wir mehr Glück haben.«
Sie überquerten das klumpige Stoppelfeld, kletterten über die Schlammbegrenzungen, die die Felder teilten, und nahmen ihre Position gegenüber der hohen grünen Wand des Dschungels ein.
Elizabeth hatte schon ihr Gewehr laden gelernt. Diesmal hatte das Treiben kaum angefangen, als Ko S’la einen scharfen Pfiff ausstieß. Ein Flug grüner Tauben kam vierzig Meter hoch mit unglaublicher Geschwindigkeit auf sie zu. Sie waren wie eine Handvoll geschleuderter Steine, die über den Himmel wirbelten.
Elizabeth war hilflos vor Aufregung. Einen Augenblick konnte sie sich nicht rühren, dann warf sie den Gewehrlauf in die Luft, irgendwo in Richtung der Vögel, und riß heftig am Abzug.
Nichts geschah - sie zog am Abzugbügel. Gerade als die Vögel über sie wegflogen, fand sie die Abzüge und zog an beiden
gleichzeitig. Es gab einen betäubenden Knall, und sie wurde
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einen Schritt zurückgeworfen, wobei sie sich fast das
Schlüsselbein brach. Sie hatte dreißig Meter hinter die Vögel geschossen. Im selben Augenblick sah sie Flory sich umwenden und sein Gewehr heben. Zwei der Tauben, die plötzlich in ihrem Flug gestutzt hatten, wirbelten herum und fielen wie Pfeile auf die Erde. Ko S’la schrie, und er und Flo rannten hin.
»Aufgepaßt!« sagte Flory, »da ist eine Kaisertaube. Die
müssen wir kriegen! « Ein großer, schwerer Vogel, der viel langsamer flog als die anderen, flatterte über ihnen. Elizabeth wollte nach ihrem Fehlschuß vorhin nicht schießen. Sie sah, wie Flory eine Patrone in den Verschluß steckte und sein Gewehr hob, und aus der Mündung sprang die weiße Rauchfahne. Der
Vogel kam mit gebrochenem Flügel schwer herunter. Flo und
Ko S’la kamen aufgeregt angerannt, Flo mit der großen
Kaisertaube im Maul, während Ko S’la grinsend zwei grüne
Tauben aus seiner Kachin- Tasche zum Vorschein brachte.
Flory nahm eine der beiden kleinen grünen Leichen, um sie
Elizabeth zu zeigen. »Sehen Sie sich’s an. Sind sie nicht
wunderhübsch? Der schönste Vogel in Asien.«
Elisabeth berührte die glatten Federn mit der Fingerspitze. Sie war von bitterem Neid erfüllt, weil sie den Vogel
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