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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Ananaszucht
    verwendet wurde, und das nächste Treiben würde jenseits der Lichtung in einem anderen Teil des Dschungels stattfinden. Sie traten ins Sonnenlicht hinaus, das sie nach dem Dämmer des
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    Dschungels blendete. Die Lichtung war ein bis zwei Morgen
    großes Rechteck, das aus dem Dschungel herausgehackt war wie ein gemähtes Rasenstück in hochstehendem Grase; darauf
    wuchsen die Ananaspflanzen, mit Stacheln bewehrt wie
    Kaktusse, in Reihen, fast erstickt von Unkraut. Eine niedrige Dornenhecke teilte das Feld in der Mitte. Sie hatten kaum das Feld überquert, als hinter der Hecke ein durchdringendes
    Kikeriki ertönte.
    »Oh, hören Sie!« sagte Elizabeth stehenbleibend. »War das
    ein Dschungelhahn?«
    »Ja. Um diese Zeit kommen sie heraus und suchen Futter.«
    »Können wir nicht hingehen und ihn schießen?«
    »Wir können’s versuchen, wenn Sie wollen. Sie sind listige Burschen. Passen Sie auf, wir werden uns die Hecke
    entlangschleichen, bis wir gegenüber von ihm sind. Wir müssen völlig geräuschlos gehen.«
    Er schickte Ko S’la und die Treiber weiter, und sie beide
    umgingen das Feld und krochen an der Hecke entlang. Sie
    mußten sich ganz tief bücken, damit sie nicht zu sehen waren.
    Elizabeth kroch voran. Der heiße Schweiß rieselte ihr übers Gesicht, kitzelte ihre Oberlippe, und ihr Herz klopfte heftig. Sie fühlte, daß Flory von hinten ihre Ferse berührte. Sie standen beide auf und blickten über die Hecke.
    Zehn Meter von ihnen pickte ein kleiner Hahn von der Größe eines Perlhuhnes heftig in der Erde. Er war schön mit seinen langen, seidigen Nackenfedern, dem hochstehenden Kamm und
    dem gebogenen, lorbeergrünen Schweif. Bei ihm waren sechs
    Hennen, kleinere braune Vögel mit rautenförmigem Gefieder
    auf dem Rücken, ähnlich wie Schlangenschuppen. All dies
    sahen Elizabeth und Flory im Zeitraum einer Sekunde, dann
    flogen die Vögel mit Kreischen und Schwirren auf und flogen wie Geschosse in den Dschungel. Sofort hob Elizabeth
    scheinbar automatisch ihr Gewehr und schoß. Es war einer
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    dieser Schüsse, wo man nicht zielt, sich des Gewehrs in der Hand gar nicht bewußt ist, wo man im Geiste hinter der Ladung herzufliegen und sie zum Ziel zu lenken scheint. Sie wußte, daß der Vogel verloren war, noch bevor sie abdrückte. Er taumelte, seine Federn flogen dreißig Meter weit. »Guter Schuß, guter Schuß!« rief Flory. In ihrer Aufregung ließen beide ihre
    Gewehre fallen, durchbrachen die Dornhecke und rannten Seite an Seite zu der Stelle, wo der Vogel lag.
    »Guter Schuß!« wiederholte Flory, ebenso aufgeregt wie sie.
    »Donnerwetter, ich habe noch nie gesehen, daß jemand an
    seinem ersten Tag einen Vogel im Fluge getötet hat, nie! Sie haben ja geschossen wie der Blitz. Einfach phantastisch!«
    Sie knieten einander gegenüber, den toten Vogel zwischen
    sich. Erschrocken merkten sie, daß ihre Hände, seine rechte und ihre linke, sich fest aneinander klammerten. Sie waren Hand in Hand zu der Stelle gelaufen, ohne es zu merken.
    Eine plötzliche Stille kam über die beiden, ein Gefühl von etwas Bedeutsamem, das geschehen mußte. Flory langte herüber und nahm ihre andere Hand. Sie fügte sich nachgiebig, willig.
    Einen Augenblick knieten sie so mit verschlungenen Händen.
    Die Sonne brannte auf sie nieder, und die Wärme stieg aus ihren Körpern auf; sie schienen auf Wolken von Hitze und Freude zu schweben. Er ergriff sie bei den Oberarmen, um sie an sich zu ziehen.
    Dann wandte er plötzlich den Kopf ab und stand auf,
    Elizabeth mit hochziehend. Er ließ ihre Arme los. Sein
    Muttermal war ihm eingefallen. Er wagte es nicht. Nicht hier, nicht bei Tageslicht. Die Zurückweisung, die es herausforderte, war zu schrecklich. Um die Verlegenheit des Augenblicks zu überspielen, bückte er sich und hob den Dschungelhahn auf.
    »Es war großartig«, sagte er. »Ihnen braucht man nichts
    beizubringen. Sie können bereits schießen. Wir wollen lieber weitergehen zum nächsten Treiben.«
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    Sie waren gerade über die Hecke zurückgegangen und hatten
    ihre Gewehre aufgehoben, als sie vom Rande des Dschungels
    her eine Reihe Rufe hörten. Zwei Treiber kamen mit
    Riesensprüngen auf sie zugerannt, die Arme wild in der Luft schwenkend.
    »Was ist los?« fragte Elizabeth.
    »Ich weiß nicht. Sie müssen ein Tier gesehen haben. Etwas
    Gutes, so wie sie aussehen.«
    »Oh, hurrah! Kommen Sie!«
    Sie liefen los und überquerten eilig das Feld, sich durch die Ananaspflanzen und die

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