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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Burma ist, auf nichts zu hoffen. Es ist ausnahmslos enttäuschend. Der Dschungel wimmelt von Wild,
    aber sehr oft kommt man gar nicht zum Schießen.«
    »Wie kommt das?«
    »Der Dschungel ist so dicht. Ein Tier braucht nur fünf Meter weit weg sein und ist schon unsichtbar, und in vielen Fällen bringen sie es fertig, den Treibern auszuweichen. Selbst wenn man sie sieht, ist es nur für den Bruchteil einer Sekunde. Und dann ist überall Wasser, so daß kein Tier an eine bestimmte Stelle gebunden ist. Ein Tiger zum Beispiel wird Hunderte von Meilen umherstreifen, wenn es ihm paßt, und da es so viel Wild gibt, brauchen sie nie zu einer Beute zurückzukommen, wenn irgend etwas daran verdächtig ist. Als Junge habe ich Nacht für Nacht neben scheußlich stinkenden toten Kühen auf Tiger
    gewartet, die nie kamen.«
    Elizabeth rieb ihre Schulterblätter an der Stuhllehne. Diese Bewegung machte sie manchmal, wenn ihr etwas sehr gut gefiel.
    Sie liebte Flory, liebte ihn wirklich, wenn er so etwas erzählte.
    Die belangloseste Mitteilung über die Jagd faszinierte sie. Wenn er nur immer über die Jagd reden wollte statt über Bücher und Kunst und diese ekle Poesie! In einem plötzlichen Anfall von Bewunderung fand sie, daß Flory auf seine Weise wirklich ein recht gut aussehender Mann sei. Er sah so prachtvoll männlich aus mit seinem am Hals offenen Hemd aus Pagri-Stoff und
    seinen Shorts und Wickelgamaschen und Jagdstiefeln! Und sein zerfurchtes sonnengebräuntes Gesicht wie das eines Soldaten!
    Er hatte die Wange mit dem Muttermal von ihr abgewandt. Sie drängte ihn, weiterzusprechen.
    »Bitte, erzählen Sie mehr von der Tigerjagd. Es ist so
    schrecklich interessant!«
    Er schilderte die Jagd auf einen räudigen alten
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    Menschenfresser, der vor Jahren einen seiner Kulis getötet hatte.
    Das Warten auf dem von Moskitos umschwirrten Machan; die durch den dunkeln Dschungel näherkommenden Tigeraugen wie
    große, grüne Laternen; das Keuchen und Sabbern, während er den unten an einen Pfahl gebundenen Körper des Kulis
    verschlang. Flory erzählte das alles ganz leichthin - war der sprichwörtliche Anglo-Inder nicht immer voll von langweiligen Tigerjagdgeschichten? -, aber Elizabeth rieb wieder ihre
    Schulterblätter voller Entzücken. Er war sich nicht klar darüber, wie sehr solche Geschichten sie beruhigten und für alles, womit er sie gelangweilt und beunruhigt hatte, entschädigten. Sechs strubbelköpfige Jünglinge kamen den Pfad herunter; sie trugen Dabs über der Schulter und wurden von einem flechsigen, aber aktiven alten Mann mit grauem Haar angeführt. Sie hielten vor dem Haus des Ältesten, und einer von ihnen stieß einen rauhen Schrei aus, woraufhin der Älteste erschien und erklärte, daß diese die Treiber seien. Sie waren jetzt aufbruc hbereit, wenn die junge Thakinma es nicht zu heiß finde.
    Sie brachen auf. Die dem Fluß abgewandte Seite des Dorfes
    war durch eine sechs Fuß hohe und zwölf Meter dicke
    Kaktushecke geschützt. Man ging einen schmalen Weg
    zwischen den Kakteen entlang, dann einen ausgefahrenen,
    staubigen Ochsenkarrenweg, der zu beiden Seiten von Bambus gesäumt war, der so hoch war wie Fahnenstangen. Die Treiber marschierten sehr schnell im Gänsemarsch an der Spitze, jeder den breiten Dab am Unterarm entlanggelegt. Der alte Jäger marschierte direkt vor Elizabeth. Sein Longyi war wie ein Lendentuch hochgerafft, und seine mageren Schenkel waren mit dunkelblauen, so komplizierten Mustern tätowiert, daß es so aussah, als hätte er Unterhosen aus blauer Spitze an. Ein
    Bambusstock von der Dicke eines Männerhandgelenks war
    heruntergefallen und hing quer über den Pfad. Der Anführer der Treiber durchschnitt ihn mit einem kurzen Aufwärtsschlag
    seines Dab; das eingeschlossene Wasser stürzte wie Diamanten
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    blitzend heraus. Nach einer halben Meile erreichten sie die freie Ebene, und alle schwitzten, denn sie waren schnell gegangen, und die Sonne brannte mörderisch.
    »Dort werden wir schießen, da drüben«, sagte Flory.
    Er deutete über das Stoppelfeld, eine breite staubfarbene
    Ebene, die durch Schlammbegrenzungen in ein bis zwei Morgen große Flecken unterteilt war. Sie war gräßlich flach und leblos bis auf die schneeweißen Reiher. Am anderen Ende erhob sich abrupt ein Dschungel aus großen Bäumen wie eine dunkelgrüne Klippe. Die Treiber waren zu einem zwanzig Meter entfernten weißdornartigen kleinen Baum gegangen. Einer von ihnen
    kniete nieder, verbeugte sich vor

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