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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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man in den Schlamm gelegt hatte - er war mit Entenmuscheln bedeckt, so daß die Füße einen Halt hatten; dann sprang er hinaus und half Elizabeth an Land. Die anderen folgten mit Taschen und Munition, und Flo fiel, wie immer bei solchen
    Gelegenheiten, in den Schlamm und sank bis zu den Schultern ein. Ein knochiger alter Mann in einem magentaroten Paso, auf der Wange einen Leberfleck, dem vier meterlange graue Haare entsprossen, kam heran mit Verbeugungen und ohrfeigte die
    Kinder, die sich rund um die Anlegestelle geschart hatten.
    »Der Dorfälteste«, sagte Flory.
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    Der Alte führte sie zu seinem Haus; er ging ihnen voraus mit einem ungewöhnlichen gekrümmten Gang - wie ein auf den
    Kopf gestelltes L -, eine Folge von Rheumatismus, verbunden mit den ständigen Verbeugungen eines untergeordneten
    Regierungsbeamten. Eine Kinderschar marschierte schnell
    hinter den Europäern her, und immer mehr Hunde kamen, alle kläffend, so daß Flo sich hinter Florys Fersen flüchtete. Aus den Türen aller Hütten glotzten haufenweise ländliche
    Mondgesichter auf die »Ingaleikma«. Das Dorf war düster im Schatten der breiten Blätter. In der Regenzeit trat der Fluß über die Ufer und verwandelte den tiefergelegenen Teil des Dorfes in ein schmutziges hölzernes Venedig, wo die Dorfbewohner aus der Haustür direkt in ihre Kanus stiegen.
    Das Haus des Ältesten war ein bißchen größer als die anderen und hatte ein Wellblechdach, das trotz des unerträglichen
    Lärms, den es in der Regenzeit verursachen mußte, sein größter Stolz war. Er hatte den Bau einer Pagode aufgegeben und damit seine Chancen auf Nirwana erheblich vermindert. Er hastete die Stufen hinauf und versetzte einem Jüngling, der schlafend auf der Veranda lag, einen sanften Rippenstoß. Dann wandte er sich zu den Europäern, verbeugte sich wieder und bat sie, ins Haus zu kommen.
    »Wollen wir hineingehen?« fragte Flory. »Ich denke, wir
    werden eine halbe Stunde warten müssen.«
    »Könnten Sie ihm nicht sagen, er möchte ein paar Stühle auf die Veranda herausbringen?« sagte Elizabeth. Nach ihren
    Erfahrungen in Li Yeiks Haus hatte sie für sich entschieden, nie wieder ins Haus eines Eingeborenen zu gehen, wenn es sich
    vermeiden ließ.
    Im Hause wurde es geschäftig, dann schleppten der Älteste, der Jüngling und eine Frau zwei Stühle heraus, die ganz
    außerordentlich mit roten Hibiskusblüten und außerdem zwei Begonien in Kerosinbüchsen dekoriert waren. Offenbar war im Hause eine Art Doppelthron für die Europäer vorbereitet
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    worden. Als Elizabeth sich gesetzt hatte, erschien der Älteste wieder mit einer Teekanne, einem Büschel sehr langer,
    hellgrüner Bananen und sechs kohlschwarzen Stumpen. Aber als er ihr eine Tasse Tee eingeschenkt hatte, schüttelte Elizabeth den Kopf, denn der Tee sah womöglich noch schlechter aus als der bei Li Yeik.
    Der Älteste sah verlegen aus und rieb sich die Nase. Er
    wandte sich zu Flory und fragte ihn, ob die junge Thakinma Milch in ihren Tee haben möchte. Er hatte gehört, daß die
    Europäer Milch im Tee tranken. Die Dorfleute würden auf
    Wunsch eine Kuh einfangen und sie melken. Aber Elizabeth
    lehnte den Tee trotzdem ab; doch sie war durstig und bat Flory, jemanden nach einer der Flaschen Sodawasser zu schicken, die Ko S’la in seiner Tasche mitgebracht hatte. Angesichts dessen zog sich der Älteste zurück, schuldbewußt, weil seine
    Vorbereitungen ungenügend waren, und überließ die Veranda
    den Europäern.
    Elizabeth hielt noch immer zärtlich ihr Gewehr auf den
    Knien, während Flory an der Verandabrüstung lehnte und so tat, als rauchte er einen der Stumpen der Ältesten. Elizabeth sehnte sich danach, daß das Schießen endlich anfinge. Sie überschüttete Flory mit unzähligen Fragen.
    »Wann können wir aufbrechen? Glauben Sie, daß wir genug
    Patronen haben? Wie viele Treiber werden wir nehmen? Ach,
    ich hoffe so, daß wir Glück haben! Sie glauben doch, daß wir etwas erbeuten werden, nicht wahr?«
    »Nichts Wunderbares wahrscheinlich. Wir werden uns mit ein paar Tauben und vielleicht Dschungelvögeln begnügen müssen.
    Sie sind jetzt nicht jagdbar, aber es schadet nichts, wenn wir die Hähne schießen. Es heißt, daß hier in der Gegend ein Leopard ist, der letzte Woche ganz nah beim Dorf einen Ochsen gerissen hat.«
    »Oh, ein Leopard! Wie herrlich, wenn wir den schießen
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    könnten!«
    »Das ist ziemlich unwahrscheinlich, fürchte ich. Die einzige Regel für die Jagd in

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