Tage in Burma
Enttäuschung war so qualvoll. Dann fühlte sie den Treiber sie in den Ellbogen zwicken. Er hatte den Kopf
vorgestreckt, seine glatte, mattgelbe Wange befand sich nur ein paar Zentimeter von der ihren: sie konnte das Kokosnußöl in seinem Haar riechen. Seine rauhen Lippen waren wie zum
Pfeifen gespitzt; er hatte etwas gehört. Dann hörten es auch Flory und Elizabeth, ein ganz leises Geflüster, als glitte ein Luftgeschöpf durch den Dschungel und streifte den Boden nur mit dem Fuß. Im selben Augenblick tauchten Kopf und
Schultern aus dem Unterholz auf, fünfzehn Meter weiter unten auf dem Pfad.
Er blieb, die Vorderpfoten auf dem Pfad, stehen. Sie konnten
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seinen gedrungenen Kopf mit den anliegenden Ohren sehen,
seinen entblößten Augenzahn und seine dicken, mächtigen
Schenkel. Im Schatten sah er nicht gelb aus, sondern grau. Er lauschte gespannt. Elizabeth sah Flory aufspringen, sein Gewehr anlegen und sofort abdrücken. Der Schuß dröhnte, und fast
gleichzeitig hörte man ein schweres Rascheln, als das Raubtier flach ins Kraut fiel. »Aufpassen!« rief Flory, »er ist noch nicht tot!« Er schoß noch einmal, und man hörte wiederum einen
dumpfen Aufschlag: der Schuß hatte getroffen. Der Leopard
keuchte. Flory riß sein Gewehr auf und suchte in seiner Tasche nach einer Patrone, dann warf er alle Patronen auf den Pfad und kniete sich hin, um in fliegender Hast zu suchen.
»Verdammt und zugenäht!« rief er. »Nicht eine einzige SG ist darunter. Wo hab ich die bloß hingetan?«
Der Leopard war verschwunden, als er fiel. Er wälzte sich im Unterholz wie eine große, verwundete Schlange und schrie mit einem knurrenden, schluchzenden Laut, wild und kläglich. Das Geräusch schien näher zu kommen. Jede Patrone, die Flory
umdrehte, hatte auf ihrem Ende eine 6 oder 8 eingeprägt. Die übrigen Großwildpatronen waren tatsächlich bei Ko S’la
geblieben. Das Krachen und Knurren waren jetzt kaum fünf
Meter weit weg, aber sie konnten nichts sehen, der Dschungel war zu dicht.
Die beiden Burmanen schrien: »Schießen! Schießen!
Schießen!« Ihr Ruf entfernte sich, sie sprangen zu dem nächsten Baum, den man erklettern konnte. Im Unterholz krachte es jetzt so nah, daß der Busch, an dem Elizabeth stand, erschüttert wurde.
»Mein Gott, er ist schon beinahe hier!« sagte Flory. »Wir
müssen ihn irgendwie abhalten. Schießen Sie los!«
Elizabeth hob ihr Gewehr. Ihre Knie bebten wie Kastagnetten, aber ihre Hand war so ruhig wie Stein. Sie feuerte sehr schnell, einmal, zweimal. Das Krachen entfernte sich. Der Leopard
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kroch weg, angeschossen, aber flink, und noch immer
unsichtbar.
»Gut! Sie haben ihn erschreckt«, sagte Flory.
»Aber er entkommt! Er entkommt!« rief Elizabeth, aufgeregt herumhüpfend. Sie wollte ihm folgen. Flory sprang auf und zog sie zurück.
»Keine Angst! Sie bleiben hier. Warten Sie!«
Er lud sein Gewehr mit zwei Schrotkugeln und lief in
Richtung des Geräusches. Einen Augenblick konnte Elizabeth weder Tier noch Mann sehen, dann tauchten sie auf einem
dreißig Meter entfernten kahlen Fleck wieder auf. Der Leopard kroch sich windend auf dem Bauch und schluchzte dabei. Flory richtete sein Gewehr auf ihn und schoß aus vier Meter
Entfernung. Der Leopard sprang hoch wie ein Kissen, wenn man darauf schlägt, dann rollte er zur Seite, rollte sich zusammen und lag still. Flory stieß den Leic hnam mit seinem
Gewehrkolben an. Er rührte sich nicht.
»Alles in Ordnung, er ist tot«, rief er. »Kommen Sie her und sehen Sie ihn sich an.«
Die beiden Burmanen sprangen von ihrem Baum, und sie und
Elizabeth gingen zu Flory hinüber. Der Leopard, ein Männche n, lag zusammengerollt da, den Kopf zwischen den Vorderpfoten.
Er sah jetzt viel kleiner aus, eigentlich rührend, wie ein totes Kätzchen. Elizabeths Knie zitterten immer noch. Sie und Flory standen und blickten auf den Leoparden nieder, dicht
nebeneinander, aber diesmal ohne sich bei den Händen zu
halten.
Fast sofort erschienen Ko S’la und die anderen, mit großem Freudengeschrei. Flo schnupperte einmal an dem toten
Leoparden, dann zog sie den Schwanz ein und stürzte winselnd fünfzig Meter weit davon. Sie ließ sich nicht dazu bringen, sich ihm noch einmal zu nähern. Alle hockten sich um den
Leoparden und starrten ihn an. Sie streichelten seinen schönen
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weißen Bauch, der weich war wie ein Hasenfell, und drückten seine breiten Pranken, damit die Krallen herauskamen, und
zogen seine schwarzen
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