Tage wie in einem Rausch
fühlte sie sich wie gebannt von seiner sinnlichen Ausstrahlung. Sie hasste ihre Schwäche, und doch nahm sie zu Alltäglichkeiten Zuflucht, um das Gespräch noch einige Stunden aufzuschieben. Daran konnte doch nichts Falsches sein, oder?
Während sie Kaffee einschenkte, sagte sie so unbefangen wie möglich: "Hör auf, nach Komplimenten zu jagen! Du bist kein Geizhals. Ich habe dich doch praktisch überredet, die Flitterwochen hier zu verbringen."
Elena war mit Recht stolz auf ihr Heim, ein ehemaliges andalusisches Bauernhaus, das sie von einem Teil des Honorars für den Verkauf der Filmrechte an ihrem ersten Bestseller erworben hatte.
Sie würden es als Ferienhaus behalten, damit Jed sich hier so oft wie möglich von seiner anstrengenden Tätigkeit als Geschäftsführer des Familienunternehmens erholen konnte. Mit Niederlassungen in London, Amsterdam, Rom und New York war die Firma seit zweihundert Jahren auf den Verkauf von Edelsteinen und Edelmetallen an die Reichen dieser Welt spezialisiert.
Dan hatte nie etwas mit der Firma zu tun haben wollen. Stattdessen hatte er sich einen Namen als Fotojournalist gemacht.
Elena schob den Gedanken an Dan schnell beiseite, doch als hätte Jed es geahnt, kam er in diesem Moment auf ihn zu sprechen. "Jetzt verstehe ich, warum Dan zwischen seinen Aufträgen so oft hierher gekommen ist. Das Leben ist viel geruhsamer, man hat eine wunderbare Aussicht, und immer scheint die Sonne. Er hat mir einmal gesagt, dass er nur hier Frieden finden könne."
Jed schenkte sich Kaffee nach und wollte auch ihren Becher füllen, doch sie schüttelte den Kopf. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, während er über seinen Bruder redete. Warum ausgerechnet jetzt? Sie konnte Jed nicht in die Augen sehen.
Er nahm sich eine Orange aus der Schale und begann sie zu schälen. Seine Stimme klang seltsam schroff, als er sagte: "In den letzten Jahren hat man ihn nur in die schlimmsten Krisengebiete geschickt. Ich weiß zwar, dass er die Gefahr liebte, aber er muss sehr dankbar gewesen sein für die Ruhe, die er hier finden konnte. Bei dir.
Er wusste so viel von dir - ihr müsst euch sehr nahe gestanden haben."
Elena wurde die Kehle eng. Seit dem Begräbnis hatte Jed kaum über Dan gesprochen, doch jetzt schien die Trauer sich Bahn zu brechen. Die Brüder waren sehr unterschiedlich gewesen, aber sie hatten sich geliebt. Und jetzt meinte Elena, noch etwas anderes zu spüren. War es Eifersucht?
"Er war ein guter Freund", sagte sie und hörte selbst, dass ihre Stimme unsicher klang. Sie beobachtete, wie Jed die Orange schälte.
Plötzlich erschienen ihr seine Bewegungen hart und rücksichtslos, und sie fragte sich erschaudernd, ob sie ihn wirklich so gut kannte.
"Ich glaube, in gewisser Weise hat er missbilligt, dass ich meine Pflicht getan habe, wie er es nannte. Dass ich nach Vaters Tod die Firma und die Verantwortung übernommen habe. Vielleicht hat er mich sogar ein wenig dafür verachtet."
"Nein!" Sie konnte nicht zulassen, dass er das dachte. "Gerade weil du deine Pflicht getan hast, und zwar gut, hat er dich bewundert und respektiert - wenn auch widerwillig. Er hat mir einmal erzählt, dass dein Geschäftssinn ihn geradezu ängstige und dass er lieber seinen eigenen Weg gehe, anstatt ewig in deinem Schatten zu stehen."
Jed betrachtete sie forschend, als müsste er darüber nachdenken, ob sie die Wahrheit sagte. Schließlich gab er zu: "Das wusste ich nicht.
Vielleicht hätte ich ihn sonst nicht um seine Freiheit und Sorglosigkeit beneidet." Er verzog den Mund. "Ich glaube, es gibt noch vieles, was ich über meinen jüngeren Bruder nicht wusste. Außer dass er dich sehr gern hatte. Jedes Mal, wenn er auf einer seiner Stippvisiten nach Hause kam, hat er von dir gesprochen. Er hat mir eines deiner Bücher gegeben und mir geraten, beeindruckt zu sein. Und das war ich, auch ohne seinen Rat", fügte Jed kühl hinzu. "Deine Horrorgeschichten sind anspruchsvoll, intelligent geschrieben und raffiniert. Eine erfrischende Abwechslung zu den üblichen Machwerken dieser Gattung."
"Danke." Doch sie hörte in seiner Stimme einen ungewohnten, fast anklagenden Unterton. Schnell stand sie auf, ging zur Terrassenmauer und betrachtete die wunderbare Landschaft, ein Anblick, der sie sonst beruhigte, heute jedoch seine Wirkung verfehlte.
Ihr Haus lag auf einem Kalksteinhügel hoch über einem kleinen Dorf, und der stetige leichte Wind vom Atlantik trug den Duft der Pinienwälder herüber und sorgte trotz
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