Tagebuch der Apokalypse 02
da sie über zweihundert Flugstunden in einer Kiste dieses Typs verbracht hat (also weit mehr als ich). Der Motor sprang problemlos an. Ich gab Gas und rollte vorwärts. Es war unnötig, die Bremse zu testen. Das Gebiet war frei. Ich bretterte mit 50 Knoten voraus. Ein einzelner Untoter näherte sich dem Beton der Interstate vom mit Gras bewachsenen Mittelstreifen aus, der die nach Osten und Westen führenden Spuren teilte. Ich war mir nicht sicher, ob er es schaffen würde.
Dann spürte ich, dass das Steuerhorn der Maschine zu mir zurückgezogen wurde. In meinem Headset sagte Deans Stimme: »Diesen Steigflug schaffen wir.« Ich war fassungslos. Unser Steigflug war noch steiler als der, bei dem John und ich von dem unbefestigten Streifen hatten starten müssen, bevor die Raketen San Antonio ausgelöscht hatten. Es waren nicht die Triebwerke, die mich in den Sitz drückten, es war die Schwerkraft. Wir hatten den wandelnden Leichnam verfehlt und waren fast dreihundert Meter vor der Stelle in die Luft gegangen, an der ich vom Boden abgehoben hätte. Ich musste mich zusammenreißen und mir eingestehen, dass Dean beim Fliegen dieser Kiste mehr draufhatte als ich.
Als wir den Laster, den Krater und die Überführung passierten, kam der Flugplatz wieder in Sicht. Aus purer Neugier bat ich Dean, uns nochmal dorthin zu bringen. Als wir über das Gelände hinweg flogen, sah ich jede Menge Untote, die sich am anderen Ende des Platzes um den Elektrokarren scharten. Er hatte sich im Zaun verkeilt und piepste vermutlich noch immer, weil die Untoten sehr daran interessiert waren, ihn in Stücke zu reißen. Vielleicht lag es an seinem Geruch, vielleicht an den Geräuschen, die er von sich gab; vielleicht aber auch an beidem.
Dean fragte nach unserem Ziel. Ich bat sie, ihren Tankwagen anzufliegen. War kein Problem für sie.
Da ich wissen wollte, wie sie auf den Wasserturm gelangt war, stellte ich ihr, nun in der Luft und in Sicherheit, ein paar Fragen. Sie waren am Abend des 14. Mai beim Lake Charles gelandet. Dean erwähnte zwar keine Einzelheiten, begann jedoch, heftig mit den Händen zu zittern, als sie erzählte, wie Danny und sie aus ihrem Flugzeug gestürzt waren und sich so schnell wie möglich zum Wasserturm durchgeschlagen hatten, um nicht gefressen zu werden. Auf dem Turm hatten sie nur das gehabt, was sie tragen konnten. Ich fragte, warum sie nicht mit dem Flugzeug abgehauen waren. Sie antwortete mit einer Gegenfrage: »Haben Sie den Leichenberg vor dem Bug unserer Kiste nicht gesehen?«
Ich erkannte, dass es ihr Unbehagen bereitete, über diese Sache zu reden.
Dean erzählte, dass sie ihr Bettlaken benutzt hatte, um an Wasser für Danny und sich herankommen zu können. Am sechsten Tag, als ihre Trinkwasserrationen zu Ende gegangen waren, war sie über den seitlichen Laufsteig auf den Turm gestiegen. Irgendwie hatte sie den Dachstöpsel aufgeschraubt, durch den das Wasser im Tank normalerweise geprüft wurde. Es war ihr gelungen, das Laken etwa zwanzig Zentimeter tiefes Wasser zu versenken, ohne es zu verlieren. Danny und sie hatten fast einen Monat lang von »frisch gepresstem Louisiana-Lakenwasser« gelebt und sich währenddessen das pausenlose Stöhnen der sie belagernden Toten angehört. Als Dean davon erzählte, begann sie erneut zu weinen.
Über dem Hobby Airport wurde unser Sprit knapp. Wir hätten es mit einem Rest heißer Luft vielleicht noch bis Hotel 23 geschafft, aber ich hielt es für unnötig, dieses Risiko einzugehen. Ich wusste, dass der Tanklaster funk-tionsfähig war. Ebenso wusste ich, dass er eine Menge Treibstoff enthielt. Als wir über dem Flugplatz kreisten und ein Auge riskierten, näherte sich die Sonne dem westlichen Horizont. Es befanden sich Untote auf dem Dach neben dem zerbrochenen Terminalfenster, und ich sah auch ein paar auf dem Boden vor dem Dach. Einige Kreaturen hatten sich aufgrund ihres Absturzes selbst zur Unbeweglichkeit verurteilt. Tja, die Schwerkraft ist ’ne Sau.
Ich brachte die Maschine runter, fuhr gefährlich nahe an den Tankwagen heran und bat Dean, an Bord zu bleiben. Meine Idee gefiel ihr nicht, denn sie wollte helfen, aber ihr Blick sagte mir, dass sie mir Recht gab. Nach einem Monat auf dem Wasserturm, auf dem sie Kohldampf geschoben hatte, von der Sonne gebraten und von der Kälte geschüttelt worden war, war sie nicht hundertprozentig auf dem Damm. Deswegen hatte ich, trotz der vielen Flugstunden ihrer aktiven Zeit, meine Hände in der Nähe der Kontrollen
Weitere Kostenlose Bücher