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Tagebuch eines Engels

Tagebuch eines Engels

Titel: Tagebuch eines Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolyn Jess-Cooke
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streckte die Hand aus, in der eine schneekugelgroße Parallelwelt erschien und bis auf Melonengröße anwuchs. Ich ging näher ran und sah hinein. In der Kugel erschien wie ein Spiegelbild auf einer Pfütze ein Bild von Theo im Alter von zirka achtzehn Jahren. Brutal und missmutig. Zuerst dachte ich, der Holzschreibtisch, an dem er saß, stünde in einem Büro, aber dann ging mir auf, dass es sich um eine Szene vor Gericht handelte. Er trug die übliche orangefarbene Häftlingsuniform. Und er ließ den Kopf hängen, als das Urteil gesprochen wurde. Eine Frauenstimme rief: »Schuldig!« Theo wurde von seinem Stuhl hochgerissen und abgeführt.
    Â»Nein!«, rief ich. »Nach allem, was ich getan habe, bekommt Theo trotzdem lebenslänglich, und ich komme in die Hölle?« Fragend sah ich Nan an. Sie hatte darauf keine Antwort.
    Ich fiel auf die Knie.
    Und so weinte ich eine ganze Weile auf allen vieren und ließ meine Tränen auf den weißen Boden laufen. Es war alles umsonst gewesen.
    Irgendwann wischte ich mir das Gesicht ab, stand auf und sah Nan an.
    Â»Und was mache ich jetzt? Habe ich überhaupt irgendetwas verändert?«
    Â»Ja«, sagte Nan. »Und es wird dir nicht alles gefallen. Es kann passieren, dass du Margot Entscheidungen treffen siehst, die alle deine Pläne durchkreuzen.«
    Â»Ich habe keine Pläne mehr, Nan. Ich komme doch sowieso in die Hölle, schon vergessen?«
    Â»Es ist so, wie ich es dir am Anfang sagte«, erklärte sie sehr ernst. »Nichts ist sicher.«
    Ich trocknete mir die Augen. Sie gab mir Hoffnung. Aber dieses Mal fand ich das einfach nur grausam.
    Â»Und was mache ich jetzt?«
    Zum ersten Mal seit langer Zeit lächelte Nan. »Du hast einen Auftrag. Sieh zu, dass du ihn erfüllst.«

– 23 –
    DAS WORT, DAS NUR SO SCHWER
    ÃœBER DIE LIPPEN KOMMT
    Ich war da, als Margot aus der Riverstone-Klinik zurückkehrte, wo man sie von ihren Süchten befreit hatte, aber leider auch von ihrem Gefühl dafür, wer sie war, woher sie kam und warum sie hier war. Sie stellte ihre Taschen ab, strich sich die Haare aus dem Gesicht und seufzte. Toby und Theo warteten im Esszimmer. Sie sah an ihnen vorbei zu den verwelkten Sonnenblumen in der Vase.
    Â»Margot?«
    Sie sah zu Toby. »Ja?«
    Â»Ã„hm« – er sah Theo an –, »sag mal, könntest du deine Mom und mich mal einen Augenblick allein lassen?«
    Theo nickte und ging in sein Zimmer. Ich sah zu Gaia, die in der Tür stand. Sie kam auf mich zu und legte ihren Arm auf meinen.
    Alles in Ordnung?, fragte sie.
    Ich nickte, obwohl gar nichts in Ordnung war.
    Ich sah, wie Toby ein Bündel Papiere aus seiner viel zu großen Fischerjacke zog und auf den Esstisch legte. Ich wusste genau, was das war. Er räusperte sich und zog die Schultern straff, während er gleichzeitig mit einer Hand weiter seine Jacke absuchte. Er ließ die Hand eine ganze Weile auf dem Papierstapel liegen, als würde es sich um einen unwiderruflichen Akt handeln, wenn er sie losließe, um etwas, das er niemals wieder rückgängig machen könnte.
    Sag ihm, dass du ihn liebst, Margot, forderte ich sie laut auf, aber ihr dumpfer Blick ruhte weiter auf den Sonnenblumen.
    Â»Das sind die … Scheidungspapiere«, sagte Toby und atmete tief ein. »Du brauchst nur zu unterschreiben, wo ich schon unterschrieben habe, und dann können wir beide … weitermachen.«
    Margot riss die vertrockneten Stängel aus der Vase und marschierte in die Küche. Toby folgte ihr. »Margot?«
    Â»Was?«
    Â»Hast du gehört, was ich gesagt habe?«
    Sie hielt die trockenen Blumen hoch. »Die sind gestorben, während ich weg war.«
    Â»Und?«
    Â»Hast du ihnen kein frisches Wasser gegeben?«
    Â»Nein, habe ich nicht. Ich wohne hier nicht mehr, hast du das vergessen? Du hast mich rausgeschmissen … Aber egal, lass uns nicht mehr davon reden.«
    Ich sah Theo in der Tür zu seinem Zimmer stehen, wie er gespannt zuhörte. Sein Herzenswunsch glühte wie Kohle in ihm. Bitte, bitte  …
    Margot betrachtete die Sonnenblumen in ihrer Hand. »Weißt du was? Selbst wenn ich sie in eine mit Wasser gefüllte Badewanne lege und dort tagelang einweichen lasse, sind sie tot. Das war’s.« Sie sah Toby an. »Verstehst du?«
    Er nickte langsam und vergrub die Hände in den Taschen. Dann schüttelte er den

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