Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebuch eines Engels

Tagebuch eines Engels

Titel: Tagebuch eines Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolyn Jess-Cooke
Vom Netzwerk:
Kopf, der vom Aufprall nach vorn geschleudert wird. Ein anderes Auto, das sich auf der Straße mehrfach um die eigenen Achse dreht wie ein Kreisel. Eine Nahaufnahme von einer zum Bürgersteig rollenden, verbeulten Radkappe. Eine zu Bruch gehende Windschutzscheibe. Ein drittes, schlingerndes Auto, das auf eine Frau mit Kinderwagen zu schlittert. Die durch die Windschutzscheibe fliegende Margot, deren Gesicht in Zeitlupe anschwillt und blutet. Margot, die in der heißen Morgensonne auf den Asphalt aufschlägt, den Arm merkwürdig hinter den Rücken gebogen. Sie überschlägt sich, prallt mit der linken Hüfte auf, sodass ihr das Becken bricht. Dann rutscht ihr Körper – nun nicht mehr in Zeitlupe – ganz bis zu dem verformten Reifen eines anderen Autos, von dessen Motorhaube Rauch aufsteigt.
    Â»Was ist das?« Ich sah zu Nan.
    Â»Etwas, das du verhindern musst«, sagte sie. »Das da ist eine der Folgen der Veränderungen, die du vorgenommen hast. Es sei denn, du verhinderst es.«
    Mein Herz klopfte. »Und wenn es mir nicht gelingt?«
    Â»Es wird dir gelingen.«
    Â»Aber was, wenn nicht …?«
    Â»Willst du das wirklich wissen?«
    Jetzt war ich dran, Nan einen durchdringenden Blick zuzuwerfen.
    Sie hielt meinem Blick stand. »Margot wird den Rest ihres Lebens ein Pflegefall sein – vom Hals an gelähmt, an den Rollstuhl gefesselt. Aber das ist nicht alles. Vier Menschen werden bei dem Unfall ums Leben kommen, darunter ein Baby, ein Mann, der kurz vor der Heirat steht, und eine Frau, die an der Vereitelung eines größeren terroristischen Anschlags mitwirkt.«
    Ich lehnte mich vornüber und atmete tief durch.
    Â»Wie kann ich das verhindern?«
    Â»Pass gut auf«, sagte Nan streng. »Das hier ist Teil deiner Ausbildung und gleichzeitig eine äußerst dringende Angelegenheit. Das ist alles, was ich weiß.«
    Â»Ich soll gut aufpassen?«, entrüstete ich mich. »So lautet die Anweisung?«
    Sie kam einen Schritt näher, als die Vision wieder verschwand. »Sieh dich um«, sagte sie ruhig. »Glaubst du wirklich, das du irgendetwas zu befürchten hast? Selbst jetzt, als Engel, der weiß, dass Gott existiert und all das sieht, was du siehst – selbst jetzt fürchtest du dich noch? Warum ist Angst immer noch ein Teil deines Wesens?«
    Ich schloss den Mund. Ich wusste nichts darauf zu antworten.
    Â»Du wurdest angewiesen, etwas zu tun, nicht etwas zu fürchten. Also tu es. « Sie trat auf den Rand des Daches zu.
    Ich drehte mich um. »Was meinst du mit meiner Ausbildung?«
    Aber da war sie schon weg.

    Margot hatte vor ihrer Abreise nach Sydney noch so einiges zu erledigen, unter anderem musste sie die größeren Möbelstücke zwischenlagern und ihr Visum bei der Passstelle in der Innenstadt abholen. Sie zog sich etwas über, schnappte sich die Autoschlüssel und tapste nach unten.
    Was ich zunächst für einen Ölfleck unter dem Auto hielt, war in Wirklichkeit ein kleiner Schatten. Ich stand neben dem Wagen und sah mich auf dem Parkplatz gründlich nach Dämonen um – halb wollte ich, halb erwartete ich, dass ich Ram, Luciana oder Pui über den Weg lief, damit ich mich für ihre Gastfreundschaft neulich revanchieren konnte –, dann wandte ich mich Margots altem silbernen Buick zu. Sie fuhr rückwärts, rammte dabei fast eine Mülltonne, und ich sah, wie der Schatten sich mitbewegte, als klebe er an der Fahrzeugunterseite fest. Als Margot den Wagen die Straße hinunterlenkte, erkannte ich endlich, was der Fleck tatsächlich war: ein schwarzer Schaft, fast wie ein dunkler Regenbogen, der im Schatten anfing, sich über die Mülltonnen erhob und hinter dem Hügel endete.
    Ich erinnerte mich an die Vision. Ich hatte niemand anderen gesehen, jedenfalls nicht in den letzten Sekunden. In der Vision war eine Frau mit Kinderwagen auf dem Bürgersteig gewesen. Ihr Gesicht hatte ich nicht sehen können. War es, weil jemand beschlossen hatte, auszuschlafen, deshalb spät dran war für die Arbeit und zu schnell fuhr, dass es zum Unfall kam? Oder war es, weil jemand beschlossen hatte, während der Fahrt auf der Lexington Avenue eine Flasche Jack Daniels zu trinken? Oder war etwas mit dem Auto nicht in Ordnung?
    Dann erinnerte ich mich an ein Detail der Vision: Kurz bevor Margot nach vorne und durch die Windschutzscheibe geschleudert wurde, hatte sie sich

Weitere Kostenlose Bücher