Tagebuch Eines Vampirs 04. In Der Schattenwelt
Überschwang.
Meredith hatte die Hand auf den Türknopf gelegt. Jetzt hielt sie inne. „Sag mal, Bonnie, hast du einen Sonnenstich?“ fragte sie leise. „Nein.“ Wieder auf den Boden zurückgekehrt, griff Bonnie nach Meredith' Arm und sah sie flehend an. Die Tür öffnete sich wie von selbst. „Oh, Gott, Meredith. Bitte dreh mir nicht den Hals um...“
„Überraschung!“ riefen drei Stimmen. „Lächle“, zischte Bonnie und schob die plötzlich widerspenstige Freundin durch die Tür auf den Hausflur und in ein helles Zimmer voller Musik, Konfetti und Luftschlangen. Sie selbst setzte ihr strahlendstes Lächeln auf. „Töte mich später. Ich verdiene es vermutlich.
Aber jetzt - lächle!“ flüsterte sie Meredith mit zusammengepreßten Zähnen ins Ohr. An der Decke hingen bunte Luftballons, und auf dem Tisch lag ein Berg Geschenke.
Sogar an Blumen hatte Caroline gedacht. Bonnie fiel jedoch sofort auf, daß die Orchideen in dem großen Gesteck genau zu Carolines hellgrünem Schal paßten. Es war ein Seidenschal von Hermes mit einem Muster aus Weinranken und Blättern. Ich wette, am Ende wird sie sich eine der Orchideen ins Haar stecken, dachte Bonnie. Sue Carsons blaue Augen blickten ein bißchen ängstlich. Ihr Lächeln war besorgt. „Ich hoffe, du hattest für heute abend keine anderen Pläne, Meredith“, sagte sie. „Nichts, das sich nicht verschieben ließe“, erklärte Meredith trocken. Aber sie lächelte Sue warm an, und Bonnie entspannte sich. Sue hatte wie Bonnie, Meredith und Caroline zu Elenas ursprünglicher Clique gehört. Sie war mit Bonnie und Meredith die einzige gewesen, die sich auf Elenas Seite gestellt hatte, als alle anderen gegen sie waren. Bei Elenas Begräbnis hatte Sue gesagt, daß Elena immer die wahre Königin der Robert E. Lee High School bleiben würde, und hatte ihre eigene Nominierung zur Schneekönigin des Winterballs im Gedenken an Elena zurückgezogen. Niemand konnte Sue hassen. Das Schlimmste ist vorbei, dachte Bonnie. „Ich möchte ein Photo von uns hier auf der Couch haben. Mit den Blumen im Vordergrund.“ Caroline übernahm das
Kommando. „Würdest du es bitte machen, Vickie?“ Vickie Bennett hatte bisher still und unbeachtet am Rand des Zimmers gestanden. „Ja, sicher“, sagte sie jetzt und strich sich nervös das lange, hellbraune Haar aus der Stirn, während sie eifrig den Photoapparat hochhob. Wie ein Dienstmädchen, dachte Bonnie, dann wurde sie vom Blitzlicht geblendet. Als das Polaroidphoto fertig war, betrachteten es Sue und Caroline lachend und scherzend, während Meredith trocken und höflich blieb. Bonnie fiel etwas auf. Es war ein gutes Photo geworden.
Caroline sah toll aus wie immer mit ihren langen, kastanienbraunen Haaren und den hellgrünen Orchideen im Vordergrund. Und da war Meredith mit ihrem ironischen Lächeln und ihrer dunklen Schönheit, die ohne ihr Zutun überall hervorstach. Schließlich Bonnie selbst, einen Kopf kleiner als die Freundinnen, die roten Locken wirr und mit einen dämlichen Ausdruck im Gesicht. Aber das merkwürdige war die andere Person neben ihr auf der Couch. Es war Sue.
Natürlich war es Sue. Doch einen Moment lang schienen die blauen Augen jemand anderem zu gehören. Jemandem, der sie flehend ansah und im Begriff war, etwas ganz Wichtiges zu sagen. Bonnie runzelte die Stirn und blinzelte. Das Bild verschwamm vor ihren Augen, und eine Gänsehaut überlief sie. Nein, es war nur Sue auf dem Photo. Ich muß wohl kurz eine Halluzination gehabt haben, dachte Bonnie. Oder sie hatte sich von Carolines Wunsch, alle wieder wie früher zusammenzuholen, so sehr anstecken lassen, daß sie Gespenster sah.
„Ich mache das nächste Bild.“ Sie sprang auf. „Setz dich, Vickie.
Rück ein bißchen näher heran. Noch näher. Das ist es!“ Jede Bewegung von Vickie war hastig und nervös. Als das Blitzlicht aufzuckte, fuhr sie zusammen wie ein verängstigtes Tier auf der Flucht.
Caroline warf kaum einen Blick auf dieses Bild. Sie stand auf und ging statt dessen in die Küche voraus. „Ratet mal, was wir statt eines Kuchens haben werden? ,Eis ganz heiß'! Vanilleeis mit Schokoladensauce und jeder Menge heißen Himbeeren.
Kommt, helft mir, die Schokolade zu schmelzen.“ Sue folgte ihr, und nach einem kurzen Zögern auch Vickie.
Der letzte Rest Freundlichkeit wich aus Meredith' Gesicht. Sie wandte sich an Bonnie. „Du hättest mich warnen müssen.“ „Ich weiß.“ Bonnie senkte für eine Minute schuldbewußt den
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