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Tagebücher: 1909-1923

Tagebücher: 1909-1923

Titel: Tagebücher: 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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dann wärest Du in diesem oder jenem Unglück, in dieser oder jener Schande. ” Woher weiß das nun dieser Mann? Er gehört doch, das verrät dieser Ausspruch, zu dem gleichen Kreis wie der Angesprochene, seine Trostbedürftigkeit ist gleicher Art. Im gleichen Kreis weiß man aber immer das Gleiche. Es gibt nicht den Hauch eines Gedankens, den der Tröstende vor dem Getrösteten voraus hätte. Ihre Gespräche sind daher nur Vereinigungen der Einbildungskraft, Übergüsse der Wünsche von einem auf den andern. Einmal sieht der eine zu Boden, und der andere einem Vogel nach, in solchen Unterschieden spielt sich ihr Verkehr ab. Einmal einigen sie sich im Glauben und sehen beide Kopf an Kopf in unendlichen Richtungen der Höhe. Erkenntnis ihrer Lage zeigt sich aber nur dann wenn sie gemeinsam die Köpfe senken und der gemeinsame Hammer auf sie niedergeht.

    14 (Juni 1914)
      Mein ruhiger Gang, während es um den Kopf zuckt und ein über den Kopf schwach schleifender Ast mir das ärgste Unbehagen macht. Ich habe die Ruhe, ich habe die Sicherheit anderer Menschen in mir aber irgendwie am verkehrten Ende

      19. VI (1914) Die Aufregungen der letzten Tage. Die Ruhe die von Dr. W. auf mich übergeht. Die Sorgen die er für mich trägt. Wie sie heute früh, als ich um 4 nach festem Schlafe aufwachte, in mich übersiedelten. Pistekovo divadlo. Löwenstein! Jetzt der grobe aufregende Roman von Soyka. Angst. Überzeugung der Notwendigkeit von F.
    24 VI 14 Elli erzählt:
      “Liebster Schatzi! Ich sehne mich nach Deine m elastischen Körper”
      Wie wir uns, O. und ich, austoben in Wut gegen Menschenverbindungen.
      Das Grab der Eltern in dem auch der Sohn (“Pollak, Handelsakademiker”) begraben ist.

    25 VI 14
    Vom frühen Morgen an bis jetzt zur Dämmerung gieng ich in meinem Zimmer auf und ab. Das Fenster war offen, es war ein warmer Tag. Der Lärm der engen Gasse trieb ununterbrochen herein. Ich kannte schon jede Kleinigkeit im Zimmer durch das Anschauen während meines Rundganges. Alle Wände hatte ich mit den Blicken abgestreift. Dem Muster des Teppichs und seinen Altersspuren war ich bis in die letzten Verzweigungen nachgegangen. Den Tisch in der Mitte hatte ich vielemal mit Fingerspannen abgemessen. Zum Bild des verstorbenen Mannes meiner Wirtin hatte ich schon die Zähne oft gefletscht. Gegen Abend trat ich zum Fenster und setzte mich auf die niedrige Brüstung. Da blickte ich zufällig zum erstenmal ruhig von einem Platz in das Innere des Zimmers und zur Decke auf. Endlich, endlich begann wenn ich mich nicht täuschte dieses so vielfa ch von mir erschütterte Zimmer sich zu rühren. An den Rändern der weißen mit schwachen Gipsverzierungen umzogenen Decke begann es. Kleine Mörtelstücke lösten sich los und fielen wie zufällig hie und da mit bestimmtem Schlag zu Boden. Ich streckte die Hand aus und auch in meine Hand fielen einige, ich warf sie ohne mich in meiner Spannung auch nur umzudrehn, über meinen Kopf hinweg in die Gasse. Die Bruchstellen oben hatten noch keinen Zusammenhang, aber man konnte ihn sich immerhin schon irgendwie bilden. Aber ich ließ von solchen Spielen ab, als sich jetzt dem Weiß ein bläuliches Violett beizumischen begann, es gieng von dem weiß bleibenden, ja geradezu weiß erstrahlenden Mittelpunkt der Decke aus, in welchen knapp oben die armselige Glühlampe eingesteckt war. Immer wieder in Stößen drängte sich die Farbe oder war es ein Licht, gegen den sich jetzt verdunkelnden Rand hin. Man achtete gar nicht mehr auf den fallenden Mörtel, der wie unter dem Druck eines sehr genau geführten Werkzeuges absprang. Da drängen in das Violett von den Seiten her gelbe, goldgelbe Farben. Die Zimmerdecke färbte sich aber nicht eigentlich, die Farben machten sie nur irgendwie durchsichtig, über ihr schienen Dinge zu schweben, die durchbrechen wollten, man sah schon fast das Treiben dort in Umrissen, ein Arm streckte sich aus, ein silbernes Schwert schwebte auf und ab. Es galt mir, das war kein Zweifel, eine Erscheinung, die mich befreien sollte, bereitete sich vor. Ich sprang auf den Tisch, um alles vorzubereiten, riß die Glühlampe samt ihrem Messingstab heraus und schleuderte sie auf den Boden, sprang dann herunter und stieß den Tisch aus der Mitte des Zimmers zur Wand hin. Das, was kommen wollte, konnte sich ruhig auf den Teppich niederlassen und mir melden, was es zu melden hatte. Kaum war ich fertig, brach die Decke wirklich auf. Noch aus großer Höhe, ich hatte sie

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