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Tagebücher: 1909-1923

Tagebücher: 1909-1923

Titel: Tagebücher: 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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beim Passieren des Äquators. Das Herumlungern der Matrosen. Das nach allen Richtungen und Höhen abgekletterte Schiff bietet ihnen überall Sitzgelegenheiten. Die großen Matrosen, die an den Schiffsleitern hängen und sich mit mächtiger runder Schulter Fuß vor Fuß an den Schiffsleib drücken und auf das Schauspiel hinuntersehn.

    “Jemand läutet! ” sagte Elsa und hob den Finger.
      Ein kleines Zimmer. Elsa und Gertrud sitzen mit Handarbeiten beim Fenster. Beginnende Dämmerung.
    E. Jemand läutet.
    Beide horchen.

      G. Es hat wirklich geläutet? Ich habe nichts gehört. Ich hö re immerfort weniger.

      E. Es war nur ganz leise. (Geht ins Vorzimmer öffnen) Im Vorzimmer werden einige Worte gewechselt. Dann die Stimme E.

    Bitte hier einzutreten. Geben Sie acht, daß Sie nicht stolpern. Gehen Sie bitte voraus, es ist nur meine Schwester im Zimmer.
      Die Schwestern Gelsenbauer, Elsa und Gertrud, hatten drei Zimmer zu vermieten, eines war an eine Klavierlehrerin vermietet, das zweite an einen Viehhändler

      Letzthin erzählte uns der Viehhändler Morsin folgende Geschichte. Er war noch aufgeregt, als er sie erzählte, trotzdem die Sache schon einige Monate zurückliegt:
      Ich habe geschäftlich sehr oft in der Stadt zu tun, es werden durchschnittlich gewiß 10 Tage im Monat sein. Da ich dort auch meistens übernachten muß und seit jeher wenn es nur irgendwie möglich ist, das Wohnen im Hotel zu vermeiden suche, so habe ich ein Privatzimmer gemietet, das einfach,
    3 XII 13 Brief an Weiß
    4 XII 13

      Von außen gesehn ist es schrecklich erwachsen aber jung zu sterben oder gar sich zu töten. In gänzlicher Verwirrung, die innerhalb einer weiteren Entwicklung Sinn hätte, abzugehn, hoffnungslos oder mit der einzigen Hoffnung, daß dieses Auftreten im Leben innerhalb der großen Rechnung als nicht geschehen betrachtet werden wird. In einer solchen Lage wäre ich jetzt. Sterben hieße nichts anderes als ein Nichts dem Nichts hingeben, aber das wäre dem Gefühl unmöglich, denn wie könnte man sich auch nur als Nichts mit Bewußtsein dem Nichts hingeben, und nicht nur einem leeren Nichts sondern einem brausenden Nichts, dessen Nicht igkeit nur in seiner Unfaßbarkeit besteht.

    Ein Kreis von Männern, die Herren und Diener sind. Ausgearbeitete, in lebendigen Farben glänzende Gesichter. Der Herr setzt sich und der Diener bringt ihm die Speisen auf dem Brett. Zwischen beiden ist kein größerer Unterschied, kein anders zu wertender Unterschied, als z. B. zwischen einem Mann, der durch das Zusammenwirken unzähliger Umstände Engländer ist und in London lebt und einem andern, der Lappländer ist und zu gleicher Zeit allein im Sturm in seinem Boot das Meer befährt. Gewiß, der Diener kann – auch dies nur unter Umständen – Herr werden, aber diese Frage, wie sie auch beantwortet werden könnte, stört hier nicht, denn es handelt sich um die augenblickliche Bewertung der augenblicklichen Verhältnisse.

      Die von jedem selbst dem zugänglichsten und anschmiegsamsten Menschen hie und da wenn auch nur gefühlsmäßig angezweifelte Einheitlichkeit der Menschheit zeigt sich andererseits auch jedem, oder scheint sich zu zeigen in der vollständigen immer wieder aufzufindenden Gemeinsamkeit gesammt- und einzelmenschlicher Entwicklung. Selbst in den verschlossensten Gefühlen des Einzelnen.
      Die Furcht vor Narrheit. Narrheit in jeden geradeaus strebenden, alles andere vergessen machendem Gefühl sehn. Was ist dann die Nicht-Narrheit? Nicht-Narrheit ist vor der Schwelle, zur Seite des Einganges bettlerhaft stehn, verwesen und umstürzen. Aber P. und O. sind doch widerliche Narren. Es muß Narrheiten geben, die größer sind als ihre Träger. Dieses Sich-spannen der kleinen Narren in ihrer großen Narrheit ist vielleicht das Widerliche. Aber erschien den Pharisäern Christus nicht in gleichem Zustande?
      Wunderbare, gänzlich widerspruchsvolle Vorstellung daß einer, der z. B. um 3 Uhr in der Nacht gestorben ist gleich darauf etwa in der Morgendämmerung in ein höheres Leben eingeht. Welche Unvereinbarkeit liegt zwischen dem sichtbar Menschlichen und allem andern! Wie folgt aus einem Geheimnis immer ein größeres! Im ersten Augenblick geht dem menschlichen Rechner der Atem aus. Eigentlich müßte man sich fürchten aus dem Haus zu treten
      5 XII 13 Wie ich gegen meine Mutter wüte! Ich muß nur mit ihr zu reden anfangen, schon bin ich gereizt, schreie fast.
    O. leidet doch und ich glaube

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