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Tagebücher: 1909-1923

Tagebücher: 1909-1923

Titel: Tagebücher: 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Zeiten stecken, jetzt treten wir zurück, gewesene Schwimmer, gegenwärtige Spaziergänger und sind verloren. Wir sind außerhalb des Gesetzes, keiner weiß es und doch behandelt uns jeder danach.

      6/XI 10 Was ich übrigens leicht verschmerze, denn mir ist weder das eine noch das andere erlaubt und deshalb ist es nicht recht wenn ich mich mit Dir vergleiche. Denn Du! Wie lange bist Du eigentlich in der Stadt Wie lange Du in der Stadt bist frag ich.

      Fünf Monate. Aber ich kenne sie auch schon genau. Du, ich habe mir keine Ruhe gegeben. Wenn ich so zurückschau, weiß ich gar nicht ob Nächte vorgekommen sind, es kommt mir alles kannst Du es Dir denken, wie ein Tag vor und da gab es keine Tageszeiten, nicht einmal Lichtunterschiede

    6 XI 10
    Conference einer Madame Chenu über Musset. Jüdische Frauengewohnheit des Schmatzens, Verstehn des Französisch durch alle Vorbereitungen und Schwierigkeiten der Anekdote, bis knapp vor dem Schlußwort, das auf den Trümmern der ganzen Anekdote im Herzen weiterleben soll, das Französisch uns vor den Augen verlöscht, vielleicht haben wir uns bis dahin zu sehr angestrengt, die Leute, welche Französisch verstehn gehn vor dem Schluß weg, da sie schon genug gehört, die andern haben noch lange nicht genug gehört, Akustik des Saales, die das Husten in den Logen mehr begünstigt, als das vorgetragene Wort; Nachtmahl bei der Rachel sie liest Racine: Phädra mit Musset, das Buch liegt zwischen ihnen auf dem Tisch, auf dem übrigens alles mögliche liegt. Consul Claudel, Glanz in den Augen, den das breite Gesicht aufnimmt und widerstrahlt, er will sich immerfort verabschieden, es gelingt ihm auch im einzelnen, im allgemeinen aber nicht, denn wenn er einen verabschiedet, steht ein neuer da, an den sich der schon verabschiedete wieder anreiht. Über der Vortragsbühne ist eine Gallerie für das Orchester. Aller mögliche Lärm stört. Kellner aus dem Flur, Gäste in ihren Zimmern, ein Klavier, ein fernes Streichorchester, ein Hämmern endlich eine Zänkerei, deren Lokalisierung große Schwierigkeiten macht und deshalb reizt. In einer Loge eine Dame mit Diamanten in den Ohrringen, deren Licht fast ununterbrochen wechselt. An der Kassa junge schwarzgekleidete Leute eines französischen Cirkels. Einer grüßt mit einer scharfen Verbeugung, die seine Augen über den Boden hinfahren läßt. Dabei lächelt er stark. Das macht er aber nur vor Mädchen, Männern schaut er gleich darauf offen ins Gesicht mit ernst gehaltenem Mund, womit er gleichzeitig die vorige Begrüßung als eine vielleicht lächerliche aber jedenfalls unumgängliche Ceremonie erklärt.
    7XI 10
    Vortrag Wiegler über Hebbel. Sitzt auf der Bühne in der Dekoration eines modernen Zimmers, als ob seine Geliebte durch eine Tür hereinspringen würde, um das Stück endlich zu beginnen. Nein, er trägt vor. Hunger Hebbels. Kompliciertes Verhältnis zu Elisa Lensing. Er hat in der Schule eine alte Jungfer zur Lehrerin, die raucht schnupft prügelt und den Braven Rosinen schenkt. Er fährt überall [Heidelberg, München, Paris] ohne recht sichtbare Absicht hin. Ist zuerst Diener beim Kirchspielvogt, schläft in einem Bett mit dem Kutscher unter der Treppe.

      Jetzt kommt es Dir vielleicht so vor, als ob ich mich darüber beklagen wollte? Aber nein, warum mich darüber beklagen, mir ist doch weder das eine noch das andere erlaubt. Ich habe nur meine Promenaden zu machen und damit soll es genug sein, dafür gibt es aber auch keinen Ort in der Welt, auf dem ich nicht meine Promenaden machen könnte. Jetzt scheint es aber wieder so, als wäre ich eitel darauf

      Ich habe es also leicht. Ich müßte vor dem Haus hier nicht stehn bleiben.
      Darin also vergleich Dich mit mir nicht und laß Dich nicht von mir unsicher machen. Du bist doch ein erwachsener Mensch, bist überdies wie es scheint, in der Stadt hier ziemlich verlassen
      Ja spürst Du es denn nicht an Deinem Muth, daß Du Dich in diesen Dingen mit mir nicht vergleichen kannst. Ich begreife das nicht. Wie lange bist Du denn schon hier in der Stadt?
      “Fünf Monate” sagte ich so vorsichtig, daß ich nachher noch den Mund offen behielt. Ja, fünf Monate. Das war richtig. Ich ließ das Tor
      Schließlich spürst Du es, wenn Du acht gibst, schon an Deinem
      Darin kannst Du Dich eben mit mir nicht vergleichen. Aber muß ich Dir das sagen, schließlich spürst Du es ja wenn Du acht gibst schon an Deinem Muth. Wie lange bist Du eigentlich schon in der

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