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Tagebücher

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Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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auferstehn. Wie es vor dem Fenster blau wurde. Ein Wagen fuhr. Zwei Männer über die Brücke giengen. Um 2 Uhr schaute ich zum letztenmal auf die Uhr. Wie das Dienstmädchen zum ersten Mal durchs Vorzimmer gieng, schrieb ich den letzten Satz nieder. Auslöschen der Lampe und Tageshelle. Die leichten Herzschmerzen. Die in der Mitte der Nacht vergehende Müdigkeit. Das zitternde Eintreten ins Zimmer der Schwestern. Vorlesung. Vorher das Sichstrecken vor dem Dienstmädchen und Sagen: "Ich habe bis jetzt geschrieben". Das Aussehn des unberührten Bettes, als sei es jetzt hereingetragen worden. Die bestätigte Überzeugung, daß ich mich mit meinem Romanschreiben in schändlichen Niederungen des Schreibens befinde. Nur so kann geschrieben werden, nur in einem solchen Zusammenhang, mit solcher vollständigen Öffnung des Leibes und der Seele. Vormittag im Bett. Die immer klaren Augen. Viele während des Schreibens mitgeführte Gefühle: z. B. die Freude daß ich etwas Schönes für Maxens Arcadia haben werde, Gedanken an Freud natürlich, an einer Stelle an Arnold Beer, an einer andern an Wassermann, an einer (zerschmettern) an Werfels Riesin, natürlich auch an meine "Die städtische Welt"

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    Ich, nur ich bin der Beobachter des Parterres.

    Gustav Blenkelt war ein einfacher Mann mit regelmäßigen Gewohnheiten. Er liebte keinen unnötigen Aufwand und hatte ein sicheres Urteil gegenüber Leuten die solchen Aufwand trieben.
    Trotzdem er Junggeselle war, fühlte er sich durchaus berechtigt in Eheangelegenheiten seiner Bekannten ein entscheidendes Wörtchen mitzusprechen, und derjenige der eine solche Berechtigung nur in Frage gestellt hätte, wäre schlecht bei ihm angekommen. Er pflegte seine Meinung rund heraus zu sagen und hielt die Zuhörer, denen seine Meinung gerade nicht paßte durchaus nicht zurück. Es gab wie überall Leute die ihn bewunderten, Leute die ihn anerkannten, Leute die ihn duldeten und schließlich solche die nichts von ihm wissen wollten. Es bildet ja jeder Mensch selbst der nichtigste wenn man nur ordentlich zusieht den Mittelpunkt eines hier und dort zusammengedrehten Kreises, wie hätte es bei Gustav Blenkelt einem im Grunde besonders geselligen Menschen anders sein sollen?

    Im 35 ten Lebensjahre dem letzten Jahre seines Lebens verkehrte er besonders häufig bei einem jungen Ehepaar namens Strong. Es ist gewiß daß für Herrn Strong, der eben mit dem Gelde seiner Frau eine Möbelhandlung eröffnet hatte, die Bekanntschaft Blenkelts verschiedene Vorteile hatte, da dieser die Hauptmasse seiner Bekannten unter jungen heiratsfähigen Leuten besaß, die früher oder später daran denken mußten, für sich eine neue Möbeleinrichtung zu beschaffen und die schon aus Gewohnheit Ratschläge Rlenkelts auch in dieser Richtung im allgemeinen nicht vernachlässigten. Ich halte sie an festen Zügeln pflegte Blenkelt zu sagen.

    24 (September 1912) Meine Schwester sagte: Die Wohnung (in der Geschichte) ist der unsrigen sehr ähnlich. Ich sagte: wieso? Da müßte ja der Vater im Kloset wohnen.

    25. (September 1912) Vom Schreiben mich mit Gewalt zurückgehalten. Mich im Bett gewälzt. Den Blutandrang zum Kopf und das nutzlose Vorüberfließen. Was für Schädlichkeiten! - Gestern bei Baum vorgelesen, vor den Baumischen, meinen Schwestern, Marta, Frau Dr. Bloch mit 2 Söhnen (einem Einjährig-Freiwilligen). Gegen Schluß fuhr mir meine Hand unregiert und wahrhaftig vor dem Gesicht herum. Ich hatte Tränen in den Augen. Die Zweifellosigkeit der Geschichte bestätigte sich. - Heute abend mich vom Schreiben weggerissen. Kinematograph im Landesteater. Loge. Frl.
    Oplatka, welche einmal ein Geistlicher verfolgte. Sie kam ganz naß von Angstschweiß nachhause.
    Danzig. Körners Leben. Die Pferde. Das weiße Pferd. Der Pulverrauch. Lützows wilde Jagd.

    Als der 17 jährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von Newyork einfuhr, erblickte er die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht. Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor und um ihre Gestalt wehten die freien Lüfte.

    "So hoch" sagte er sich und wurde, wie er so gar nicht an das Weggehn dachte, von der immer mehr anschwellenden Menge der Gepäckträger, die an ihm vorüberzogen, allmählich bis an das Bordgeländer

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