Moonshine - Stadt der Dunkelheit
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1 .
I ch geriet auf der vereisten Straße ins Schleudern, als ich um die Ecke auf die Lafayette Street bog. Nur meine jahrelange Erfahrung rettete mich, als ich in die kaum dreißig Zentimeter breite Lücke zwischen einer Pferdedroschke und einem Model-T schlitterte. Der alten Dame, deren Hände in den weißen Handschuhen das Steuer des Wagens umklammerten, war ihr eigenes motorisiertes Fahrzeug offenbar ähnlich unheimlich wie eine Katze, die regelmäßig bei Vollmond verschwand, und so raubte ihr der Anblick meines Fahrrades, das anmutig an ihr vorbeiglitt, den letzten Rest an Selbstbeherrschung. Ich kann mir nicht vorstellen, was sie an mir so erschreckend fand. Es sei denn, es war das Grinsen, das ich mir nicht verkneifen konnte, als ich der Eisglätte im Januar trotzte. Mein Daddy sagte immer, dass ich im Winter zu leichtsinnig sei.
Die Dame schrie und entdeckte den Verwendungszweck des kleinen Knopfes in der Mitte ihres Lenkrades. Ihr Wagen kam ins Schlingern – glücklicherweise
weg
von den Pferden, die inzwischen vor Aufregung wieherten. Ich schaffte es gerade noch an der Droschke und dem Auto vorbei. Keinen Augenblick zu früh, denn eines der Pferde begann mit einem Mal zu steigen und schlug mit den Hufen gegen den hinteren Kotflügel des Model-T. Ich zuckte zusammen. Zwei Sekunden später und es wäre mein Magen gewesen.
Verdammte
Tammany Hall
, dachte ich wütend. Würde es diese Mistkerle in der schon sprichwörtlich gewordenen Geschäftsstelle der Demokratischen Partei denn umbringen, wenn sie zwischen ihren Wahlsiegen auch einmal etwas Nützliches taten – wie zum Beispiel die Straßen zu befestigen?
Heute Abend waren die kriminell engen Straßen allerdings fast menschenleer. Kein anständiger Bürger hatte das Bedürfnis, nach Sonnenuntergang noch draußen unterwegs zu sein, zumal bei Neumond. Ich warf einen Blick auf meine Uhr – Viertel vor acht – und trat in die Pedale. Für eine Lehrerin gehörte es sich nicht, zu spät zur eigenen Unterrichtsstunde zu kommen. Vor allem nicht zu dieser Unterrichtsstunde. Und auf keinen Fall heute Abend.
In diesem Moment sah ich es. Nur ein zusammengekauerter Schatten in einer unsagbar dreckigen Seitengasse, an der heute vermutlich schon Hunderte Menschen vorbeigelaufen waren, ohne etwas zu sagen. Auch ich fuhr erst daran vorbei, bevor ein unbestimmtes Gefühl mich dazu brachte, zu bremsen, umzudrehen und zurückzufahren. Es war nicht so, als hätte mein Nacken geprickelt, und es war auch kein vielsagendes Kribbeln über meinen Rücken gekrochen. Dieses Talent besitze ich nicht – was auch immer meine Schüler hinter meinem Rücken über mich sagen mögen. Aber ich habe die Gabe, extrem aufmerksam und geistesgegenwärtig zu sein. Es ist eine Fähigkeit, die mein Daddy gefördert hat, da ich kein bisschen mit der Pistole umgehen und nicht einmal einen Goldfisch im Glas erschießen kann. Er wollte, dass seine Älteste irgendetwas richtig gut beherrscht.
Um möglichst schnell anzuhalten und umzudrehen, trat ich also gegen die Speichen, riss den Lenker scharf nach rechts und steuerte gleich wieder gegen. Ich holperte über die Entwässerungsrinne und rutschte auf den abgelaufenen Sohlen meiner Stiefel über den Gehweg. Tief in den Schatten eines gigantischen, schmutzigen Fabrikgebäudes kam ich zum Stehen. Beim Anblick solcher Gebäude muss ich unwillkürlich an hohläugige Einwandererkinder denken, die von skrupellosen Aufsehern in einen Raum gesperrt werden, damit sie nicht flüchten können. Meistens übernahmen Vampire in solchen Drecklöchern die Aufgaben der Wächter. Ich erschauderte und warf instinktiv einen Blick zurück auf die Straße. Verlassen. Ich denke, die Härchen in meinem Nacken hätten sich in diesem Moment aufgerichtet, wenn der mustergültig gestärkte Kragen meiner Bluse sie nicht daran gehindert hätte.
Ich trat näher an den engen Spalt zwischen einem Mietshaus und dem ehemaligen Waffen- und Munitionslager heran – der Abstand war zu schmal, um als »Gasse« bezeichnet werden zu können. Eine Ratte, die über mein Näherkommen offenbar überrascht war, huschte über ein graues Häufchen, das von dem restlichen Unrat kaum zu unterscheiden war, und verschwand im Rinnstein neben meinem Fahrrad. Allmählich gewöhnten meine Augen sich an die Dunkelheit. Endlich konnte ich die schwachen Umrisse des auf den ersten Blick harmlos wirkenden kleinen Haufens erkennen, der meine Aufmerksamkeit geweckt hatte. Jetzt bemerkte ich,
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