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Tagebücher

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Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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traf, im Augenblick nicht wußte wer das war und nur merkte, daß sie zwar F. ähnlich aber doch nicht F. war, überdies aber noch irgendeine darüber hinausgehende Beziehung zu F. hatte, nämlich die, daß ich im Seminar in ihrem Anblick viel an F. gedacht hatte.

    Jetzt in Dostojewski die Stelle gelesen, die so an mein "Unglücklichsein" erinnert.

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    Als ich während des Lesens mit der linken Hand seitlich in die Hose fuhr und meinen lauwarmen Oberschenkel faßte.

    15. (Dezember 1913) Briefe an Dr. Weiß und Onkel Alfred.

    Kein Telegramm gekommen.

    "Wir Jungen von 1870/71" gelesen. Wieder von den Siegen und begeisterten Scenen mit unterdrücktem Schluchzen gelesen. Vater sein und ruhig mit seinem Sohn reden. Dann darf man aber kein Spielzeughämmerchen an Stelle des Herzens haben.

    "Hast Du dem Onkel schon geschrieben?" fragte mich, wie ich mit Bosheit längst erwartete, die Mutter. Sie beobachtete mich schon lange ängstlich, wagte aus verschiedenen Gründen erstens mich nicht zu fragen und zweitens mich nicht vor dem Vater zu fragen und fragte schließlich in ihrer Besorgnis, da sie sah, daß ich weggehn wollte, dennoch. Als ich hinten an ihrem Sessel vorüberkam, sah sie von den Spielkarten auf, wendete mit einer längst vergangenen und irgendwie für den Augenblick aufgelebten zarten Bewegung das Gesicht zu mir und fragte, nur flüchtig aufschauend, schüchtern lächelnd und schon in der Frage, noch ohne jede Antwort, gedemütigt.

    16. XII 13

    "Der Donnerschrei des Entzückens der Seraphim"

    Ich saß bei Weltsch im Schaukelstuhl, wir sprachen über die Unordnung unseres Lebens, er immerhin mit einer gewissen Zuversicht ("Man muß das Unmögliche wollen") ich auch ohne diese, mit dem Blick auf meine Finger, im Gefühl Stellvertreter meiner innern Leere zu sein, die ausschließlich ist und nicht einmal übermäßig groß.

    Brief an Bl.

    17. (Dezember 1913) Brief an W. mit dem Auftrag. "Überfließend sein und doch nur ein Topf auf einem kalten Herd"

    Vortrag Bergmann "Moses und die Gegenwart". Reiner Eindruck. Wie sich der Mensch hinaufgehoben hat, er hat sich wirklich irgendwo in der Höhe festgeklemmt. Und als Junge war er wegzublasen, in allem, aber vielleicht doch nicht in allem und es war nur mein Unverstand, der das glaubte. - Ich habe jedenfalls damit nichts zu tun. Zwischen Freiheit und Sklaverei kreuzen sich die wirklichen schrecklichen Wege ohne Führung für die kommende Strecke und unter sofortigem Verlöschen der schon zurückgelegten. Solcher Wege gibt es unzählige oder nur einen man kann das nicht feststellen, denn es gibt keine Übersicht. Dort bin ich. Ich kann nicht weg. Ich habe mich nicht zu beklagen. Ich leide nicht übermäßig, denn ich leide nicht zusammenhängend, es häuft sich nicht an, wenigstens fühle ich es vorläufig nicht, und die Größe meines Leidens liegt weit unter jenem Leiden, das mir vielleicht zukäme.

    Die Silhouette eines Mannes, der mit halb und verschiedenartig in die Höhe gehobenen Armen sich gegen vollständigen Nebel wendet, um hineinzugehn.

Die schönen kräftigen Sonderungen im Judentum. Man bekommt Platz. Man sieht sich besser, man beurteilt sich besser.

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    18. (Dezember 1913) Ich gehe schlafen, ich bin müde. Vielleicht ist es dort schon entschieden.
    Viele Träume darüber.

    Falscher Brief von Bl.

    19 (Dezember 1913) Brief von F. Schöner Morgen, Wärme im Blut.

    20 (Dezember 1913) kein Brief

    Die Wirkung eines friedlichen Gesichts, einer ruhigen Rede, besonders von einem fremden, noch nicht durchschauten Menschen. Die Stimme Gottes aus einem menschlichen Mund Ein alter Mann gieng an einem Winterabend im Nebel durch die Gassen. Es war eiskalt. Die Gassen waren leer. Kein Mensch kam nahe an ihm vorüber, nur hie und da sah er in der Ferne halb im Nebel einen großen Polizeimann oder eine Frau in Pelzwerk oder Tüchern. Ihn kümmerte nichts, er dachte nur daran einen Freund zu besuchen, bei dem er schon lange nicht gewesen war und der ihn gerade jetzt durch ein Dienstmädchen hatte holen lassen.

    Es war schon weit nach Mitternacht, als es an die Zimmertür des Kaufmanns Messner leise klopfte.
    Er mußte nicht geweckt werden, er schlief immer erst gegen Morgen ein, bis dahin aber pflegte er bäuchlings wach im Bett zu liegen, das Gesicht ins Kissen gedrückt, die Arme ausgestreckt und die Hände über dem Kopf verschlungen. Er hatte das Klopfen gleich gehört "Wer ist es?" fragte er. Ein unverständliches Murmeln, leiser als das Klopfen

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