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Tagebücher

Tagebücher

Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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kommt mit einer so regelmäßigen Häufigkeit in die Lage, eine Geschichte die im Grunde alle angeht einzelnen Familienmitgliedern zu erzählen. Die Geschichte muß dann dem in solchen Fällen langsam in Zwischenräumen immer nur um eine Person anwachsenden Familienkreise fast so oft erzählt werden, als Personen da sind. Und weil ich derjenige bin, der Karls Gewohnheit allein erkannt hat, bin ich auch meist derjenige, der die Geschichte zuerst hört und dem die Wiederholungen nur die kleine Freude der Bestätigung einer Beobachtung machen.

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    Neid über einen angeblichen Erfolg Baums den ich doch so liebe. Hiebei das Gefühl, mitten im Leib einen Knäuel zu haben, der sich rasch aufwickelt mit unendlich vielen Fäden, die er vom Rande meines Leibes zu sich spannt.

    Löwy - Mein Vater über ihn: Wer sich mit Hunden zu Bett legt steht mit Wanzen auf. Ich konnte mich nicht halten und sagte etwas ungeordnetes. Darauf der Vater besonders ruhig (allerdings nach einer großen Pause die anders ausgefüllt war): "Du weißt daß ich mich nicht aufregen darf und geschont werden muß. Komm mir also noch mit solchen Sachen. Ich habe der Aufregungen gerade genug, vollständig genug. Also laß mich mit solchen Reden." Ich sage: "Ich strenge mich an, mich zurückzuhalten" und fühle beim Vater wie immer in solchen äußersten Augenblicken das Dasein einer Weisheit von der ich nur einen Athemzug erfassen kann.

    Tod des Großvaters von Löwy, eines Mannes, der eine offene Hand hatte, einige Sprachen kannte, größere Reisen tief nach Rußland gemacht hatte und der einmal Samstag bei einem Wunderrabbi in Jekaterinoslaw zu essen sich weigerte, weil ihm das lange Haar und ein färbiges Halstuch des Sohnes jenes Rabbi die Frömmigkeit des Hauses verdächtig machte. - Das Bett war mitten im Zimmer aufgestellt, die Kerzenhalter der Freunde und Verwandten waren ausgeliehen, das Zimmer also voll Licht und Rauch der Kerzen. An 40 Männer standen den ganzen Tag um sein Bett, um sich an dem Sterben eines frommen Mannes aufzurichten. Er war bis zu seinem Ende bei Bewußtsein und fieng im richtigen Augenblick die Hand auf der Brust die Gebete aufzusagen an, die für diese Zeit bestimmt sind. Während seines Leidens und nach seinem Tode weinte die Großmutter, die bei den im Nebenzimmer versammelten Frauen war unaufhörlich während des Sterbens aber war sie ganz ruhig weil es ein Gebot ist, dem Sterbenden den Tod nach Kräften zu erleichtern. Mit seinen eigenen Gebeten gieng er hin. Um diesen Tod nach einem so frommen Leben wurde er viel beneidet.

    Pessachfest. Eine Vereinigung reicher Juden mietet eine Bäckerei, ihre Mitglieder übernehmen alle Verrichtungen bei der Herstellung der sog. 18 Minuten-Mazzes für die Oberhäupter der Familien: das Holen des Wassers, das Koschern, das Kneten, das Schneiden, das Durchlochen.

    5. XI 11 Gestern geschlafen nach Bar-Kochba.

    von 7 ab mit Löwy, Brief seines Vaters vorgelesen. Abend bei Baum.

    Ich will schreiben mit einem ständigen Zittern auf der Stirn. Ich sitze in meinem Zimmer im Hauptquartier des Lärms der ganzen Wohnung. Alle Türen höre ich schlagen, durch ihren Lärm bleiben mir nur die Schritte der zwischen ihnen Laufenden erspart, noch das Zuklappen der Herdtüre in der Küche höre ich. Der Vater durchbricht die Türen meines Zimmers und zieht im nachschleppenden Schlafrock durch, aus dem Ofen im Nebenzimmer wird die Asche gekratzt, Valli fragt durch das Vorzimmer wie durch eine Pariser Gasse ins Unbestimmte rufend ob denn des Vaters Hut schon geputzt ist, ein Zischen, das mir befreundet sein will, erhebt das Geschrei einer antwortenden Stimme. Die Wohnungstüre wird aufgeklinkt und lärmt wie aus katarrhalischem Hals, öffnet sich dann weiterhin mit dem kurzen Singen einer Frauenstimme und schließt sich mit einem dumpfen männlichen Ruck, der sich am rücksichtslosesten anhört. Der Vater ist weg, jetzt beginnt der zartere zerstreutere hoffnungslosere Lärm, von den Stimmen der zwei Kanarienvögel angeführt. Schon früher dachte ich daran, bei den Kanarienvögeln fällt es mir aber von neuem ein, ob ich nicht die Türe bis zu einer kleinen Spalte öffnen, schlangengleich ins Nebenzimmer kriechen und so auf dem Boden meine Schwestern und ihr Fräulein um Ruhe bitten sollte.

    Die Bitterkeit, die ich gestern abend fühlte als Max bei Baum meine kleine Automobilgeschichte vorlas. Ich war gegen alle abgeschlossen und gegen die Geschichte hielt ich förmlich das Kinn in 70
    die Brust

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