Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebücher

Tagebücher

Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
ruhige Schritte) Was willst Du?

    E. Ich wollte Dir sagen, daß ich seit einiger Zeit mit Dir unzufrieden bin.

    A. Aber!

    E. Es ist so.

    A. Dann mußt Du mir eben kündigen, Emil.

    E. So rasch? Und Du fragst gar nicht nach der Ursache?.

    A. Ich kenne sie.

    E. So?

    A. Das Essen schmeckt Dir nicht.

    E. (steht rasch auf, laut) Weißt Du, daß Karl heute abend wegfahrt oder weißt Du es nicht?

    A. (innerlich unbeirrt) Aber ja, leider fährt er weg, deshalb hast Du mich nicht herrufen müssen.

    21. XI 11 Mein gewesenes Kinderfräulein, die im Gesicht schwarzgelbe, mit kantigem Nasenrand und einer mir damals so lieben Warze irgendwo auf der Wange war heute zum zweitenmal in kurzer Zeit bei uns um mich zu sehn. Das erste Mal war ich nicht zuhause, diesmal wollte ich in 81
    Ruh gelassen sein und schlafen und ließ mich verleugnen. Warum hat sie mich so schlecht erzogen, ich war doch folgsam, sie sagt es jetzt selbst im Vorzimmer zur Köchin und zum Fräulein, ich war von ruhiger Gemütsart und brav. Warum hat sie das nicht für mich ausgenützt und mir eine bessere Zukunft vorbereitet. Sie ist eine Ehefrau oder Witwe, hat Kinder, hat eine lebhafte Sprache, die mich nicht schlafen läßt, denkt, daß ich ein großer, gesunder Herr im schönen Alter von 28 Jahren bin, gern an meine Jugend zurückdenke und überhaupt etwas mit mir anzufangen weiß. Nun liege ich aber hier auf dem Kanapee, mit einem Fußtritt aus der Welt geworfen, passe auf den Schlaf auf der nicht kommen will und wenn er kommt mich nur streifen wird, die Gelenke habe ich wund vor Müdigkeit, mein dürrer Körper zittert sich zugrunde in Aufregungen, derer er sich nicht klar bewußt werden darf, im Kopf zuckt es zum Erstaunen. Und da stehen die 3 Frauen vor meiner Tür, eine lobt mich wie ich war, zwei wie ich bin. Die Köchin sagt, ich werde gleich, sie meint ohne jeden Umweg in den Himmel kommen. So wird es sein.

    Löwy: Ein Rabbi im Talmud hatte das in diesem Falle sehr gottgefallige Princip, nichts, nicht einmal ein Glas Wasser von jemandem anzunehmen. Nun traf es sich aber, daß der größte Rabbi seiner Zeit ihn kennen lernen wollte und ihn also zum Essen einlud. Die Einladung eines solchen Mannes ablehnen, das war nicht möglich. Traurig machte sich daher der erste Rabbi auf den Weg.
    Aber weil sein Princip so stark war, schob sich zwischen die beiden Rabbi ein Berg.

    Anna (sitzt beim Tisch, liest in der Zeitung.)

    Karl (geht im Zimmer herum, sobald er zum Fenster kommt, bleibt er stehn und schaut hinaus, einmal öffnet er sogar das innere Fenster.)

    Anna Bitte laß das Fenster zu, es friert doch

    Karl (schließt das Fenster) Wir haben eben verschiedene Sorgen.

    22 XI 11

    Anna. Du hast aber eine neue Gewohnheit angenommen Emil, eine ganz abscheuliche. An jede Kleinigkeit kannst Du anknüpfen und mit ihrer Hilfe eine schlechte Eigenschaft an mir finden.

    Karl (reibt sich die Finger) Weil Du keine Rücksicht nimmst, weil Du überhaupt unbegreiflich bist.

    Sicher ist, daß ein Haupthindernis meines Fortschritts mein körperlicher Zustand bildet. Mit einem solchen Körper läßt sich nichts erreichen. Ich werde mich an sein fortwährendes Versagen gewöhnen müssen. Von den letzten wild durchträumten, aber kaum weilchenweise durchschlafenen Nächten bin ich heute früh so ohne Zusammenhang gewesen, fühlte nichts anderes als meine Stirn, sah einen halbwegs erträglichen Zustand erst weit über dem gegenwärtigen und hätte mich einmal gerne vor lauter Todesbereitschaft mit den Akten in der Hand auf den Cementplatten des Korridors zusammengerollt. Mein Körper ist zu lang für seine Schwäche, er hat nicht das geringste Fett zur Erzeugung einer segensreichen Wärme, zur Bewahrung inneren Feuers, kein Fett von dem sich einmal der Geist über seine Tagesnotdurft hinaus ohne Schädigung des Ganzen nähren könnte. Wie soll das schwache Herz, das mich in der letzten Zeit öfters gestochen hat, das Blut über die ganze Länge dieser Beine hin stoßen können. Bis zum Knie wäre genug Arbeit, dann aber wird es nur noch mit Greisenkraft in die kalten Unterschenkel gespült. Nun ist es aber schon wieder oben nötig, man wartet darauf, während es sich unten verzettelt. Durch die Länge des Körpers ist alles auseinandergezogen. Was kann er da leisten, da er doch vielleicht, selbst wenn er zusammengedrängt wäre, zuwenig Kraft hätte für das, was ich erreichen will.

    82
    aus einem Brief Löwys an seinen Vater: Wenn ich nach Warschau komme, werde

Weitere Kostenlose Bücher