Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
kommen. Als er zum Tisch zurückkam, sah er ein bisschen verstört aus. Was war das für ein Anruf? Wir machten noch ein bisschen Smalltalk, aber Siggi war nicht mehr bei der Sache. Bald darauf verabschiedete er sich. Sigurd Sprengler hatte danach keine zwei Stunden mehr zu leben.
Ich habe keine Ahnung, ob die Familie je von seinen Plänen erfahren hat.
Maria bitte abtippen und zu der Akte Sprengler legen.
Eine besondere Aufgabe
Judith war hundemüde, trotz der fünf Tassen Kaffee, die sie in sich hineingeschüttet hatte, als sie am nächsten Tag am Kudamm ankam. Sie hatte am frühen Morgen Ralf ihr Leid mit dem neuen Job geklagt, und ihr Chef hatte ihr ein Angebot gemacht, das sie nicht ablehnen konnte. Ab sofort durfte sie am Wochenende Doppelschicht am Hackeschen Markt machen und hatte dafür in der Woche frei.
„Ich hatte Ihnen eine besondere Aufgabe versprochen“, kündigte Alice an, die noch ganz in Schwarz gekleidet war von Sprenglers Beerdigung am Vormittag.
Eine besondere Aufgabe? Judith spürte ein aufgeregtes Kribbeln im Magen. Ja, her damit, ich will was Besonderes, dachte sie. Sie sollte als Journalistin getarnt im Hause Sprengler über Leben und Werk des großen Chirurgen recherchieren. Angeblich für ein großes Feature in einer großen Berliner Zeitung.
„Und wenn die nachfragen bei der Zeitung?“
„Können sie ruhig, ich habe eben mit meinem alten Freund, dem Chefredakteur, gesprochen, er hat Ihnen einen offiziellen Auftrag zu diesem Feature gegeben. Sie sind jetzt freie Mitarbeiterin, meinen Glückwunsch.“
Wow, das nannte man Vitamin B. Diese Frau brauchte wohl offensichtlich nur einmal den Telefonhörer zu nehmen und bekam, wovon andere nur träumen konnten. Sie reichte ihr einen Zettel mit verschiedenen Telefonnummern und Namen.
„Fangen Sie mit der ersten Telefonnummer an, das ist die Schwester, Dr. Linda Sprengler“, sagte Alice. „Aber erst morgen, lassen Sie der Familie heute noch ihre Ruhe.“
Alice übergab Judith noch ein kleines Diktiergerät und ein Smartphone, damit sie immer erreichbar sei. Auch das noch!
„Das Handy können Sie auch als Kamera benutzen, tun Sie das so oft wie möglich“, sagte die Kaldenberg.
Judith trollte sich zu ihrem Schreibtisch. Also sich selbst spielen. Nun, sie würde denen schon zeigen, was ein ordentlich recherchiertes Feature ist.
Bis zu dem späten Mittagessen hatte sie die Infos aus dem Internet sortiert und eine Liste mit den Details gemacht, die sie Maria aushändigte.
Bei in Kürbiskernöl mariniertem Tafelspitz auf verschiedenen Blattsalaten an Granatapfelessig-Reduktion fasste Maria die bisher recherchierten Daten zusammen:
Dr. Sigurd Sprengler, geboren am 17. Oktober 1937, als Sohn des Arztes Dr. Walter Sprengler und seiner Ehefrau Thea, gestorben mittels Messerstichen am 3. Mai 2013, ca. 1.00 Uhr morgens, im Central Park in New York. Sigurd Sprengler hat von 1958 bis 1960 an der Columbia University in New York und später in Berlin und Stanford studiert. Nach dem Tod des Vaters hat er ab 1975 zusammen mit seiner Schwester Linda die Klinik für plastische Chirurgie, die seinem Vater gehörte, weitergeführt. 1978 heiratete Sprengler Sabine Müller, 1979 wurde sein Sohn Nils und 1980 seine Tochter Carlotta geboren. Seit den 80er Jahren machte er sich als Kunstsammler einen Namen. Erste Beitritte zu karitativen Vereinigungen ab 1983.
Sprengler war am Abend vor dem Mord ab 20:00 Uhr zu Gast im Apartment von Bernhard Goldsmith im Apartmenthaus „San Remo“ am Central Park West gewesen. Sprengler hatte gegenüber Bernhard seine Absicht erklärt, auf der am nächsten Tag stattfindenden Aufsichtsratssitzung von WorldKidAid die Schenkung seiner gesamten Kunstsammlung an den WKA zu erklären. Darüber hinaus hatte er Goldsmith gestanden, dass er an Parkinson leide.
Gegen elf Uhr abends habe Sprengler Goldsmith verlassen. Vorher hatte er einen Anruf erhalten.
„Die wichtigste Frage, die wir uns stellen müssen“, sagte die Kaldenberg, „ist, warum er so spät abends in den Central Park gegangen ist. Siggi Sprengler war doch nicht blöd.“
„Interessant finde ich die Parkinsonsche Krankheit“, sagte Maria.
„Und wieso will er plötzlich seine wertvolle Sammlung WorldKidAid vermachen? Hat das was mit der Erkrankung zu tun?“, fragte Hüsy.
„Wer wusste außer dem Maestro, dass er seine Sammlung der WKA vermachen wollte?“, fragte Oliwia. „Wer erbt eigentlich?“
„Das ist die wichtigste Frage, Oliwia: Wer
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