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Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Titel: Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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der andere hinter dem nächsten Baum stand und die Luft anhielt. Jetzt hielt sie die Luft an und lauschte.

Altbekannte Spiele
    Mullbinden. Die Kerle hatten sie mit Mullbinden auf einen Stuhl gefesselt. Was für eine Idee.
    Auf die waren sie schon als Kinder gekommen. Siggi und Lindi. Auch Chirurgenkinder lieben Doktorspiele. Sie hatten sich alles bei Papa zusammengesucht. Mullbinden und Stethoskop, Pflaster und Tupfer, Pinzetten und Klemmen, Watte, Salben und antiseptische Tinkturen. Sie hatten Stück für Stück auf den Dachboden der Remise getragen, dort oben lagern sie noch heute, ihre kleinen und großen Geheimnisse.
    „So, und nun noch mal von vorn. Wo sind sie?“ Der blonde Mann war ganz nah vor sie getreten. Er hatte sich heruntergebeugt und leuchtete ihr mit seinen hellblauen Schweinsaugen direkt in die Pupillen.
    „Ich weiß nicht, wovon Sie reden“, sagte Linda.
    Osteuropäer, dachte sie, wahrscheinlich Polen. Sie nahm seinen süßlich riechenden Atem wahr, war es der Alkohol oder hatte er Zucker?
    Auf dem Dach gab es einen Tisch, den sie ihren Operationstisch genannt hatten. Sie hatten ihn jedes Mal sorgfältig sterilisiert, bevor sie operierten. Und dort hatten sie sich gegenseitig untersucht. Diagnosen gestellt. Alles eingetragen in eine Kladde. Sie liebten diesen Dachboden, auf den man nur mit einer Hühnerleiter kam, die man einziehen konnte, wenn man oben war. Hier waren sie ungestört. Ihre Haushälterin war viel zu dick, um diese Leiter hochzukommen. Und Papa hatte sich eingeigelt in seinen Schmerz, sein Leben bestand nur noch aus seinen Operationen. Er war nie über den Verlust ihrer Mutter hinweg gekommen. Es gab in diesen Jahren nur sie beide, Siggi und Lindi.
    „Sie jetzt reden. Sagen, wo ist. Sonst ich brechen Finger. Nix mehr operieren. Alte Kröte!“
    „Wenn ich wüsste, wovon Sie reden, würde ich Ihnen gern helfen“, sagte Linda. „Bitte, binden Sie mich los, ich habe keine Ahnung, was Sie suchen.“
    „Falsche Antwort.“ Der Mann holte aus und verpasste Linda eine Ohrfeige. Ihr Kopf flog nach links.
    „Lassen Sie das, Sie Schwein“, sagte Linda.
    „Für jede falsche Antwort gibt Schmerz. Noch eine Chance, dann Finger gebrochen.“
    „Machen Sie doch, was Sie wollen. Schauen Sie selbst nach, ich weiß nicht, wovon Sie reden. Nehmen Sie mit, was Sie brauchen, es ist mir egal!“
    Die Männer riefen sich etwas zu in einer Sprache, die Linda nicht verstand. Sie vermutete Polnisch. Sie hörte, wie die Männer im Nebenzimmer die Schubladen aus ihrem Schreibtisch zogen und Möbel auf die Erde warfen. Linda schloss die Augen.
    Der Dachboden war ihr Reich gewesen. Dort roch es immer nach Staub, der in den Sonnenstrahlen flirrte, die sich durch die winzigen Dachluken verirrten. Linda sah diese Strahlen immer noch vor sich, wie sie sanft über ihren nackten Kinderkörper streichelten, während Siggi ihre offene Wunde mit Jod bestrich. Es brannte höllisch, das Jod zwischen ihren Beinen. „Wenn es nicht weh tut, dann hilft es nicht“, sagte Siggi und griff zu der dicken, weißen Heilpaste. Er nahm einen großen Klecks auf seinen Finger, und dann massierte er sie ganz sanft ein. Es klebte, alles klebte, die Sonnenstrahlen tanzten mit dem Staub …
    Wer hatte da gestöhnt? Linda etwa? Diese Genugtuung gönnte sie denen nicht. Ach, die Journalistin, natürlich! Sie hatte sie klingeln gehört. Die drei Jungs, die dieser Halunke ihr geschickt hatte, würden jetzt verschwinden. Klar, dass sie wiederkommen werden. Können sie ruhig. Sie werden kriegen, was sie wollen. Sie werden sie kriegen.

Unsanfte Begegnung
    Komm, sei nicht albern, sagte Judith sich und schaute auf die Szenerie hinter dem Haus. Am Ende des gepflasterten Weges stand eine sehr große Fachwerk-Remise. Zwischen der Villa und der Remise erstreckte sich ein gepflegter Rasen, der von einer Gruppe hoher Goldulmen und einer Kastanie vollkommen verschattet war. Ein paar Stufen führten zu einer überdachten Terrasse auf der Hinterseite der Villa. Das ganze Anwesen schien ausgestorben.
    Sie rief nochmals laut: „Frau Dr. Sprengler?“ Bewegte sich da was zwischen den Ulmen? Sie hielt den Atem an. Nichts. Sie nahm das Handy und machte einmal um sich herum Fotos. Okay, mal schauen, ob ich einen Blick ins Innere des Hauses durch die Terrassentür erhaschen kann, dachte sie, stieg schnell die fünf Stufen hoch und ging an einem Kübel mit weißen Fleißigen Lieschen vorbei auf die Terrassentür zu. Sie stand ein Stück offen.
    So

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