Tal der Traeume
»Ich war allerdings in dem Glauben, Sie wollten nicht Resident werden, Sir.« »Ich habe meine Meinung geändert.« »Sicher, ausgezeichnet.« Nun sah alles anders aus. Oatley würde einen hervorragenden Residenten abgeben, mit dem viel leichter zu arbeiten wäre als mit dem boshaften, geizigen Mollard. Die Residenz könnte ein angenehmer Arbeitsplatz werden, und Christy bedauerte seine bevorstehende Abreise. Allerdings hatte er noch nicht gekündigt. »Wäre das alles?«, fragte er. »Ja. In Adelaide, wo die Macht sitzt, dürfte ich mir problemlos Unterstützung holen. Sir David Fullarton, der Minister für die Territorien, hat die Nase voll von Mollard. Er hat ihn nie leiden können, fand aber keinen passenden Ersatz. Jetzt ist sein Problem gelöst.« »Ja«, schluckte Christy. »Sicher doch.« »Würden Sie mir so bald wie möglich mitteilen, was Mollard dazu gesagt hat?« »Gewiss.« Bald darauf verabschiedete er sich. Sein Heiratsantrag war mit keinem Wort erwähnt worden. Auch war keine Spur von Harriet Oatley zu entdecken, ein weiteres Rätsel und Teil eines unaufgeklärten Skandals in Darwin. Doch Oatley war ein wichtiger Bürger, und Christy würde streng nach Anweisung verfahren. Im Vergleich zu William Oatley war Mollard nur ein kleiner Fisch.
Nachdem Christy gegangen war, fühlte William sich niedergeschlagen. Hätte er wirklich vorgehabt, für ein öffentliches Amt zu kandidieren, wäre dieses Vorhaben durch den Skandal, den seine Frau und sein Sohn verursacht hatten, im Keim erstickt worden. Doch Mollard war zu weit entfernt, um davon schon zu wissen. Zweifellos würde Christy irgendwann darauf kommen, wusste aber, wo sein Vorteil lag, und würde es nicht wagen, Zack Hamilton in irgendeiner Weise vor den Kopf zu stoßen. Nicht solange seine Heirat mit Lucy auf Messers Schneide stand. Er gönnte sich noch einen Whisky und schalt sich, dass er wegen Dingen Trübsal blies, die noch in der Zukunft lagen. Ein erneuter Hinweis, dass er diesen Kummer, dieses Selbstmitleid bekämpfen musste, die sich an ihm festsogen wie Blutegel. Fiel einer von ihm ab, tauchte sofort der nächste auf. Es war doch nur ein Spiel, erinnerte er sich, ein Komplott, er hatte ja gar nicht vor, Resident zu werden. Also konnte er seinen Plan auch weiterspinnen. Er würde Mollard eine Weile schmoren lassen. Sollte der sich doch über die Schande einer möglichen Entlassung grämen. Dann würde er dem Residenten klar machen, dass William Oatley ihn ersetzen würde, falls nicht alle Anklagen gegen alle Beteiligten fallen gelassen würden. Das war nicht zu viel verlangt. Er selbst würde das Telegramm mit den besten Weihnachtsgrüßen absenden. Und nun zu dem Prediger. Reverend Walters zog seine Gummistiefel an und stapfte den schlammigen Weg zum Missionshaus entlang. Er fluchte, als sein Regenschirm an einem niedrigen Ast hängen blieb. Das Laub wuchs dank des tropischen Regens so dicht, dass der Weg kaum noch als solcher zu erkennen war. Er musste Minto anweisen, die Äste zurückzuschneiden. Oder besser noch, dachte er gereizt, er könnte den Missionslehrer und seinen Helfer daran setzen, bevor sie ihren Weihnachtsurlaub antraten. Als er um eine Ecke bog, stieß er beinahe mit Minto zusammen, die in einen langen Umhang gehüllt war und barfuß ging, die Bastsandalen in der Hand. »Wohin wollen Sie?«, fragte er streng. Sie schaute ihn schuldbewusst an und stammelte: »Nirgendwohin. Ich meine, ich gehe nur spazieren.« »Zu dieser frühen Stunde? Haben Sie nichts Besseres zu tun? Und was ist mit Schwester Oatley? Muss sie etwa Ihre Arbeit tun?« »Nein, Reverend, das würde ich niemals zulassen. Ihr geht es gut, sie reinigt den Herd. Ich habe ihr gesagt, ich käme gleich wieder.« Sie verzog das Gesicht. »Es wäre ohnehin egal. Wenn ich zurückkomme, muss ich die Arbeit vermutlich selber machen. Sie steht meist nur da und starrt vor sich hin. Bekommt nie etwas fertig.« »Das möchte ich mir ansehen.« Als Walters in die Küche trat, saß sie vor dem kleinen Herd auf dem Boden, Eimer und Bürste neben sich, und träumte vor sich hin. »Schwester Oatley, das kann ich nicht dulden«, hob er an. »Wir alle müssen arbeiten. Also los!« »Ja«, murmelte sie, ohne aufzuschauen, und schob die Bürste mit einer unendlich müden Bewegung in den kalten Ofen. »Ich schätze, sie hat ihr ganzes Leben noch keinen Handschlag getan«, beklagte sich Minto. »Sie ist weniger als nutzlos, Reverend, ich weiß nicht, was ich mit ihr anfangen soll.«
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