Tal der Träume
wiesen rote Flecken auf.
Unglücklich schaute Harriet auf den Hafen, auf die blaue, einladende See. Welch eine Erleichterung, dort hineinzuwaten, sich in das warme Wasser zu werfen, immer tiefer ins Vergessen zu sinken.
Sie blieb lange unter der Palme sitzen, die nur wenig Schatten bot, den Kopf ungeschützt, über sich den wolkenlosen Himmel und die brennende Sonne, die kein Mitleid mit ihr zeigten.
Ihre Achselhöhlen wurden feucht, Schweiß rann zwischen ihren Brüsten hinunter, sie bekam Kopfschmerzen. Vermutlich würde sie sich einen Sonnenstich holen, doch was machte das schon? Dennoch, sie konnte hier nicht ewig bleiben, sie musste etwas unternehmen. Ertrinken oder heimgehen lautete die Devise. Sie besaß keine Freunde, niemanden in ihrem Alter. Und wenn Williams Freunde diesen Brief lasen, würde sie auch deren Sympathie verlieren. Maudie Hamilton hatte ihr einen Vorgeschmack darauf geliefert.
Entschlossen stand sie schließlich auf, streifte Schuhe und Strümpfe ab und schaute aufs Meer hinaus. Dann packte sie die Angst. Nicht die Furcht vor dem Ertrinken, sondern vor Ungeheuern. Hatte man ihr nicht erzählt, hier gebe es Krokodile? Man nannte sie Saltys, weil sie im Salzwasser lebten und als gefährlicher galten als ihre Artgenossen in den Flüssen. Mit einem Schaudern sank sie zu Boden.
Tom Ling fand sie am Strand. Aufgeregt umflatterte er sie, voller Sorge, hob ihre Schuhe und Strümpfe auf …
»Kommen heim, Missy, nicht gut hier. Moskitos beißen, viele hier. Machen krank. Schlimmes Omen. Kommen heim.«
»Wie spät ist es?«, fragte sie erschöpft.
»Mittagessen vorbei, aber egal. Billy hat Suppe für Sie, viel und gut, fühlen besser.«
»Ist Mr. Oatley wieder ins Büro gegangen?«
Tom holte tief Luft, als lege er sich eine Lüge zurecht, besann sich aber eines Besseren.
»Herr zu Hause, hingelegt. Sie kommen in Wohnzimmer, schön kühl da, Missy.« Seine dunklen Augen schauten sie flehend an. »Kommen mit Tom Ling, ja? Nicht gut hier. Alles wird gut, werden sehen.«
»Nein, ich kann nicht zurück.«
Doch er blieb beharrlich und ignorierte ihre wütenden Aufforderungen, sie in Ruhe zu lassen.
Schließlich zog er sie auf die Füße, stützte sie, obwohl sie ihn deutlich überragte, und führte sie zum Haus zurück. Er bestand nicht einmal darauf, dass sie Schuhe und Strümpfe anzog, und einige vorbeireitende Männer starrten fassungslos die barfüßige Frau ohne Hut an, die sich auf einen Chinesen im schwarzen Pyjama-Anzug stützte. Harriet kümmerte sich nicht um die Blicke. Ihr war mittlerweile alles gleichgültig.
Es war einfacher, die Suppe zu essen, als sich auf Diskussionen mit den Chinesen einzulassen, und an den winzigen Hühnerklößchen zu picken, die Billy ihr geschickt hatte. Den Tee lehnte Harriet jedoch ab und verharrte reglos in einem weich gepolsterten Korbstuhl. Gelegentlich warf sie einen Blick in den Spiegel, der in der Mitte des zarten japanischen Schranks gegenüber prangte. Sie war noch immer barfuß, ihr Gesicht glühte vom Sonnenbrand, und ihr Haar hing zerzaust herunter, doch sie unternahm keinen Versuch, es in Ordnung zu bringen.
Sie blieb einfach sitzen, versuchte, an nichts zu denken, doch der Brief und seine Konsequenzen ließen sie nicht los, bahnten sich, wie Luftblasen im Wasser, immer wieder den Weg an die Oberfläche. Irgendwann kam William herein.
Er schien ihr Aussehen gar nicht zu bemerken.
»Nun, Madam, was hast du mir zu sagen?«
»Nichts«, erwiderte sie niedergeschlagen. »Gar nichts. Ich möchte nichts mehr davon hören.«
»Ich kann es dir leider nicht ersparen. Ich habe beschlossen, dass es das Beste ist, alles offen auf den Tisch zu legen. Dann ist es ein für alle Mal vorbei.«
Harriet dachte, es liege bereits zu viel offen auf dem Tisch, doch er sollte tun, was ihm beliebte, solange er sie damit in Ruhe ließ. Sie hörte reglos zu, als er ihr seinen Plan vortrug.
»Ich bestehe auf einem Termin bei Mr. und Mrs. Mollard und erkläre ihnen die Umstände, durch die es zur Publikation dieses Briefes kam und die sich jenseits deiner Kontrolle befanden. Zusammen müssten wir eigentlich …«
»Zusammen? Ich soll mit dir kommen?«
»Selbstverständlich, was dachtest du denn? Ich stehe dir bei, wenn du deine Entschuldigung vorbringst.«
Harriet erstarrte. »Das werde ich nicht tun! Es war nicht meine Schuld.«
»Doch, das wirst du, Harriet. Schade, dass sie und so viele andere deine Meinung über sie in der Zeitung lesen mussten.
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