Tal der Träume
ihr.
Walters wandte sich an Minto: »Es ist eine Sache, in Buße versunken zu sein, und eine ganz andere, in Selbstmitleid zu schwelgen, wie sie es tut. Wenn ich Zeit finde, komme ich her und bete mit ihr. Hole ihre Sünden ans Tageslicht, und Sie werden meine Zeugin sein, obgleich ich fürchte, dass Sie schockiert sein werden.«
»Ich werde ebenfalls für sie beten«, erwiderte Minto ungerührt.
»In der Zwischenzeit ist sie als ungezogenes Kind zu betrachten, das gerade in die Mission gekommen ist und Gehorsam lernen muss. Ein Schlag mit der Rute wird ihr nicht schaden und sie auf den Boden der Tatsachen holen.«
»Amen«, schloss Minto begeistert.
Walters betrachtete Mintos schmales, sauberes Gesicht und warf einen Blick auf die andere Frau. »Und sorgen Sie dafür, dass sie sich wäscht. Kämmen Sie ihr die Haare. Wenn sie nicht von sich aus Ihrem guten Beispiel folgt, helfen Sie nach.«
Minto strahlte bei dem seltenen Kompliment. »Ich werde sie anständig schrubben.«
»Hervorragend. Übrigens wollte ich Ihnen eigentlich sagen, dass Sie sie morgen zur Kirche bringen sollen, aber das wäre verfrüht. In diesem Zustand können wir sie nicht mitnehmen. Warten wir ab, ich möchte, dass sie tapfer vor der Gemeinde aufsteht und zum Ruhme des Herrn ihre Sünden bekennt. Das wird ein bedeutender Tag für uns alle. Ich denke, wir sollten auch einen Chor dabeihaben.«
Am Samstag hatte der Reverend viel zu tun. Er musste Hausbesuche erledigen, sich um die Kranken kümmern, ins Büro des
Darwin Clarion
gehen und einen Auszug aus seiner Sonntagspredigt abgeben, damit der Text am Montagmorgen erscheinen könnte. Leider fand er sich immer in entlegenen Ecken der Zeitung, aber immerhin für alle lesbar.
Nach einer Auseinandersetzung mit dem Redakteur über die Länge des Auszugs ging er in den Kolonialwarenladen, um seine wöchentliche Rechnung zu begleichen. Typisch Chinese, die Preise waren exorbitant, er kontrollierte sie, indem er jeden Posten genauestens prüfte. Im Geschäft war viel zu tun, die Leute drängten sich kurz vor der Mittagspause herein und äußerten beim Blick auf die regengepeitschte Straße Befürchtungen wegen eines weiteren Hurrikans. Seit dem schweren Hurrikan vor einigen Jahren kam diese Sorge in jeder Regenzeit auf, doch er fand diese Diskussion völlig sinnlos.
»Wir sind alle in Gottes Hand«, verkündete er munter und eilte hinaus zu seinem geduldig wartenden Pferd. Einen kurzen Moment meinte er zu sehen, wie Minto um die Ecke des Hotels verschwand, doch bei diesem Wetter trugen die meisten Frauen lange schwarze Mäntel und dunkle Hüte; es hätte jede von ihnen sein können.
Als Nächstes ritt er zum Krankenhaus, um dort seine Runde zu machen und jemanden Bestimmtes zu besuchen. Er hatte entdeckt, dass Myles Oatley im einzigen Privatzimmer untergebracht war, in dem zuvor sein Vater gelegen hatte und das gewöhnlich Leuten vorbehalten war, die sich von Operationen erholten. Aber nein, für die Reichen nur das Beste. Doch als er hineinspähte, sah er nicht zur zwei Ärzte, sondern auch einen katholischen Priester, und schlich von dannen. So ein Pech, er musste ein anderes Mal wieder kommen, um mit Myles über dessen Rolle in der sündigen Dreiecksgeschichte zu sprechen.
Im Gehen fragte er sich, was William Oatley, der eingefleischte Atheist, davon halten mochte, dass ein Priester am Bett seines Sohnes saß. Eigentlich konnte ihm das nicht gefallen.
Myles Oatley war ein schwieriger Patient. Die Ärzte hatten den Priester gerufen, damit dieser ihm ins Gewissen redete.
»Wieso? Was ist denn los?«
»Wir müssen ihn operieren … seine Füße sehen übel aus.«
»Dann sollten Sie mit ihm reden, es ist Ihr Fachgebiet.«
»Nun, wir hatten gehofft, die Füße zu retten, und mit dem rechten Fuß ist es uns auch gelungen, aber der linke … Wundbrand. Er muss amputiert werden.«
»Gott steh uns bei! Weiß der Junge es schon?«
»Ja, aber er will uns nicht die Erlaubnis erteilen. Weigert sich rundweg.«
»Und die Folgen? Haben Sie ihn darüber aufgeklärt? Sehe ich recht, dass er sonst sterben könnte?«
»Ja.«
»Wo steckt denn nur seine Familie? Warum ist niemand bei ihm?«
»Er hat nur noch seinen Vater, William Oatley. Sie kennen ihn. Scheint, als hätten sie Streit gehabt. Er will ihn nicht sehen.«
Der Priester seufzte. »Die Menschen sind unergründlich. Entkommen dem Tod um Haaresbreite und führen ihre trivialen Auseinandersetzungen weiter. Aber ich rede mit ihm,
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