Tal der Träume
sein Vater sanft. »Ich glaube, sie hat von uns beiden genug. Sie ist gegangen, ich weiß nicht, wo sie sich aufhält.«
»Ich wollte dir noch einmal sagen, dass ich es bedauere.«
»Das spielt keine Rolle mehr.«
»Doch, du weißt, dass ich Angst habe. Dieses verdammte Chloroform und die Operation, was ist, wenn ich nicht durchkomme?«
»Um Gottes willen, Myles, das wirst du!«
Myles seufzte. »Hör auf, mich zu bevormunden! Ich möchte dir jetzt etwas sagen. Es tut mir Leid, ungeheuer Leid, es war alles meine Schuld. Ich möchte nicht, dass du es an ihr auslässt.«
»Nein, das werde ich nicht tun. Aber es ist Zeit, was soll ich den Ärzten sagen?«
»Sag ihnen, was du willst.«
William wollte seine Hand ergreifen, fand aber nicht den Mut dazu.
»Ich werde hier sein, Myles, die ganze Zeit über.«
»Das hoffe ich. Gib ihnen Saures! Dass sie nicht den falschen Fuß abschneiden.«
William lächelte. »Du kannst auf mich zählen.«
Die Stunden schleppten sich dahin. William ging vor dem Krankenhaus auf und ab, blieb aber immer in Rufweite. Er beobachtete, wie die Besucher heimgingen, und hielt sich im Schatten, um unerwünschten Gesprächen auszuweichen.
Patienten fanden sich in den Zimmern an der langen Veranda ein, wo Myles gelegen hatte, während sein Vater das Privatzimmer bewohnte, das nun in tiefer Dunkelheit lag. Überall in dem einstöckigen Gebäude flackerten Lichter. Es war nur ein Buschkrankenhaus, mehr konnte sich Darwin nicht leisten, ein Holzhaus, von dem die Farbe abblätterte, mit einem Wellblechdach als Schutz gegen die Regenfluten des Sommers. Es wirkte nicht gerade Vertrauen erweckend. Hoffentlich waren die Ärzte der Aufgabe gewachsen.
Schließlich zündete William seine Pfeife an und setzte sich auf eine Bank unmittelbar vor dem Zimmer. Er hätte gern gebetet, beneidete die gläubigen Menschen um diesen Trost und versuchte, nicht an das zu denken, was mit seinem Sohn geschah. Doch überall lauerten Fallen, die Vergangenheit durchdrang auch die Gegenwart. Konnte er den beiden jemals wirklich verzeihen? Auch der Gedanke an die Zukunft behagte ihm nicht. Wollte Harriet wirklich von ihnen beiden nichts mehr wissen? Oder wartete sie nur, dass Myles sie holte? Er wollte jetzt nicht an sie denken, schon die Vorstellung, ihr zu begegnen, brachte ihn aus der Fassung.
Die hohen Eukalyptusbäume über ihm schwankten im warmen Wind. Ihm war flau, er hätte gern einige Drinks gehabt, ein paar doppelte Whiskys, wagte aber nicht, sich zu entfernen.
Lucy Hamilton war entsetzt.
»Sie können ihm doch nicht den Fuß abschneiden!«
»Leider muss es sein, Liebes«, sagte ihr Vater. »Er wird sich schon erholen.«
»Wie kannst du so etwas sagen? Wie sollte er sich erholen? Myles wird am Boden zerstört sein. Wir müssen ihn auf der Stelle besuchen!«
Maudie sah von ihrem Strickzeug hoch. »Nun hör sie dir an. Vor einer Woche war er noch der letzte Mensch auf Erden, und jetzt bricht sie seinetwegen in Tränen aus.«
»Er ist mein Freund, noch immer! Sei nicht so verdammt herzlos. Ich will ihn sehen, und notfalls gehe ich allein hin.«
Zack ergriff ihren Arm. »Nein, das wirst du nicht tun. Beruhige dich, Lucy, sein Vater ist bei ihm, das reicht für den Augenblick. Außerdem wissen wir noch gar nicht, wie die Operation verlaufen ist.«
»Was soll das heißen? Könnte er dabei sterben?«
»Natürlich nicht, aber er steht sicher unter Schock. Wir können nur abwarten. Wie wäre es mit einer Tasse Tee?«
»Wo mag Mrs. Oatley sein?«, fragte Maudie beißend, doch ein kalter Blick von Zack verbot ihr den Mund.
Harriet war allein. Minto war noch nicht zurückgekehrt, und sie wusste nicht, was sie mit sich anfangen sollte. Zitternd machte sie Licht und legte sich auf ihr Bett. Das Lärmen der Vögel verursachte ihr Kopfschmerzen. Im Augenblick tat ihr der Kopf immer weh, und ihr war schwindlig. Sie hatte versucht, Minto zu erklären, dass sie nicht faul sei, sondern nur schrecklich müde, hatte aber nur Schelte bezogen.
»So ein Unsinn, Sie sind durch und durch faul, haben noch nie im Leben einen Finger gerührt. Sie wissen gar nicht, was Arbeit ist! Jetzt schöpfen Sie das heiße Wasser aus dem Kupferkessel in den Eimer, und zwar schnell!«
Harriet fühlte sich gedemütigt. Nicht einmal so einfache Aufgaben konnte sie erledigen, ohne das heiße Wasser zu verschütten, und sie verstand Mintos Ungeduld. Die Frau arbeitete hart und musste furchtbar wütend werden, wenn ihr ein so
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