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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Forschung, Steward?«
    »Ich halte sehr viel davon, wenn wir jetzt umkehren, Sir. Der Motor spielt verrückt. Er fängt zu stottern an.«
    »Du lieber Himmel, kein Benzin mehr?« James Patrik starrte den Piloten betroffen an. Er sah, wie Grants Gesicht kantig und verkniffen geworden war.
    »Der Tank ist noch halb voll. Damit kämen wir bis Wabag, wenn wir wollten.«
    »Die Benzinleitung?«
    »Ich weiß es nicht. Da, hören Sie … O du Scheiße! Scheiße!« Der Motor begann jetzt, laut zu spucken und zu knattern. Als käme der Treibstoff nur noch in Stößen in die Zylinder, so wurde das kleine Flugzeug wie von Schlägen gerüttelt. Die Drehzahl des Propellers sank rapide.
    »Müssen wir notlanden, Steward?« Patrik starrte wieder nach unten auf den lehmgelben Fluß, auf den Mangrovendschungel und die undurchdringliche grüne, wogende, den Berg hinaufziehende Wand der Riesenbäume. »Wo denn?«
    »Es gibt bessere Fragen, Professor. Wo? Hier nicht. Wenn wir Glück haben, hält der Motor durch bis zur nächsten Siedlung. Das sind noch über neunzig Meilen. Und dann werden wir mit Bruch landen … Das ist das einzige, was ich sicher weiß. O Scheiße!«
    »Und wenn wir kein Glück haben?«
    Das Flugzeug begann zu schwanken, der Motor setzte jetzt in kürzeren Abständen aus und knatterte dann wieder laut auf, eine fettige Ölwolke ausstoßend. Verbissen drehte Grant an Schaltern und Hebeln, klopfte mit der Faust gegen das Instrumentenbrett, aber es änderte sich nichts.
    »Wie stehen Sie zu Gott, Professor?«
    »So la la … Aber Gott ist kein Flugzeugmechaniker … Steward, wir verlieren an Höhe!«
    »Wissen Sie, daß ich eine Frau und drei Kinder habe?«
    »Nein.«
    »Eine hübsche blonde Frau und zwei Jungen und ein Mädchen. Es hat dieselben blonden Haare wie seine Mutter, die gleichen blauen Augen, dasselbe Lächeln. Hör auf mit dieser Fliegerei über das wilde Land, hat Lisa immer zu mir gesagt. Einmal passiert es, und was wird dann aus uns? Und ich habe immer geantwortet: Noch ein Jahr, mein Schatz, dann haben wir Geld genug, um nach Goroka oder Madang zu ziehen, und dort machen wir ein Café auf, mit Kuchen und Sandwichs und abends zwei verschiedenen Suppen – wird das ein schönes Leben werden, mein Frauchen. Nur noch ein Jahr, dann haben wir's geschafft. Das Jahr wäre in zwei Monaten herum. Und Jim, der Älteste, wäre auf ein College gekommen. Ein wacher, kluger Junge, will einmal Physik studieren, Atomphysik – er hat das Zeug dazu. Ich bin stolz auf ihn. Stolz auf sie alle. Nur noch zwei Monate …«
    James Patrik schwieg. Was war dazu zu sagen? Er wußte, daß Grants Worte eine Art Nachruf waren, ein Abschied, eine Bitte um Verzeihung. Das Flugzeug sank immer tiefer, ratterte jetzt den Flußlauf entlang, die vielleicht einzige Möglichkeit, zu landen, sich ins Wasser fallen zu lassen und damit dem Aufprall auf den Bäumen oder der Bergwand zu entgehen.
    »Wen lassen Sie zurück, Professor?« fragte Graut. Seine Stimme war fest, kein Zittern, keine gepreßte Heiserkeit.
    »Eine Tochter. Sie wird im November neunzehn. Wird Medizin studieren.« Patrik klammerte sich am Armaturenbrett fest.
    »Wir schaffen es nicht, nicht wahr?«
    »Nein, wir schaffen es nicht. Es kann sein, daß wir überleben, und dann sind wir auf einem Fleckchen Erde, das niemand kennt. Sie muß das doch glücklich machen, Professor. Wir landen im Fluß, das kann gut gehen, aber wie kommen wir hier jemals wieder raus?«
    »Man wird uns suchen, wenn wir am Abend nicht wieder im Lager sind.«
    »Darüber wird eine Nacht vergehen.«
    »Was ist schon eine Nacht, Steward?«
    »Ich denke an eine Expedition vor neun Jahren, hier im Hochland. Sie verschwand spurlos. Vier Weiße, ein Missionar aus Port Moresby und vierzehn Träger mit einem Führer, alles Papuas. Nur durch einen Zufall wurde das Rätsel gelöst. Bei einem großen Sing Sing in Wabag sah man Angehörige eines Bergstammes, die Schrumpfköpfe tauschten. Schrumpfköpfe sind verboten, die Polizei fing die Papuas ein und entdeckte unter den Köpfen auch vier weiße Schädel. Wen wollte man bestrafen? Wer waren die Mörder? Die Papuas erzählten, daß sie diese Köpfe auch eingetauscht hätten. Wer konnte das Gegenteil beweisen?«
    Der Motor des kleinen Flugzeuges spuckte noch einige Male und schwieg dann. Grant schwebte genau über der Mitte des lehmigen Flusses. Er war breiter, als er es aus der Höhe geglaubt hatte, mit einer quirligen Strömung und durchsetzt mit großen, glatten,

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