Tal ohne Sonne
mitschleppen.«
»Erklären Sie mir das.«
»Später.« Zynaker blickte auf seine Uhr. »Genau anderthalb Stunden. Wir könnten es bis zum Abend schaffen.«
»Wenn die Angaben von Dai Puino stimmen. Und vergessen Sie nicht: Hierher sind sie ohne Traglasten gehüpft, mit zwanzig Kilo auf dem Buckel wird's langsamer.«
»Wir können«, sagte Zynaker, als er wieder bei Leonora und Pater Lucius stand. »Verteilen wir uns in der Reihe, oder gehen wir geschlossen voraus oder hinterher?«
»Pater Lucius und ich bilden mit Dai Puino die Spitze.« Leonora überblickte noch einmal die Reihe der gelb bemalten Krieger und das vor ihnen liegende Gepäck. »Schmitz und Kreijsman gehen in der Mitte, Reißner und Zynaker am Schluß.« Sie sagte es so unpersönlich wie möglich, wie bei einer Befehlsausgabe in einem Militärcamp.
Zynaker protestierte. »Ausgerechnet ich mit Reißner? Bis wir im Dorf sind, haben wir uns längst geprügelt.«
»Du lieber Himmel, Sie sind doch keine kleinen Kinder!« Pater Lucius sah Zynaker mit einem strafenden Blick an. »Wenn Reißner wieder große Töne spuckt, hören Sie einfach weg, Donald.«
»Das geht nur bis zu einer gewissen Grenze.«
»Auch wenn Sie mich lästig finden, Donald – ich frage auch: Was wollen Sie mit dem Flugzeugsessel? Bleibt nichts Wichtigeres im Wrack zurück?«
»Nein.«
Pater Lucius wandte sich staunend an Leonora. »Verstehen Sie das?« fragte er.
»Noch nicht. Aber wenn Donald es uns nicht sagen will, dann sagt er es auch nicht. Dann soll es eine Überraschung sein.«
»So ist es«, antwortete Zynaker. »Dieser Flugzeugsessel wird vielleicht sogar unser Leben garantieren.«
»Haben Sie ihn vielleicht als Schleudersitz präpariert?« fragte Lucius sauer.
Zynaker hob vielsagend die Schultern, wandte sich ab und ging zu der langen Reihe der Papuas. Samuel und Dai Puino warteten dort auf ein Zeichen.
»Wir können«, sagte Zynaker zu Samuel. Er überblickte die Gelbbemalten und vermißte den Medizinmann. »Wo ist Duka Hamana, Samuel?«
»Schon gegangen, Masta.«
»Zurück ins Dorf? Allein?« Zynaker zog die Stirn in Falten. »Das gefällt mir gar nicht.«
»Er wird uns anmelden, Masta.«
»Oder die anderen gegen uns aufhetzen. Er hat gegen Pater Lucius verloren, das wird er ihm nie verzeihen.«
»Mit uns ist Dai Puino stärker als alle anderen Stämme. Das wird man in alle Winde melden. Es wird keine Kriege mehr geben, solange wir da sind, Masta. Man wird nicht mehr die Frauen rauben und nach Köpfen jagen.«
»Hoffen wir es, Samuel.« Zynaker nickte den wartenden Kriegern zu. »Sag ihnen, jeder soll wieder seine Last aufnehmen.«
Samuel spreizte seine krummen Beine, reckte sich hoch empor und schrie ein Kommando. Die Papuas wuchteten die Kisten, Ballen und Kartons auf ihre Schultern. Besonders stolz war der Mann, der den Flugzeugsessel tragen durfte. Auch wenn es unbequem war, ihn auf Schulter, Nacken und Kopf zu laden, verzog er sein gelb und rot bemaltes Gesicht zu einem breiten Lachen. Neidlos sahen die anderen Papuas zu. Der Sesselträger war einer der besten Krieger des Stammes. Über der Tür seiner Hütte hingen neun Köpfe …
Die lange Kolonne formierte sich. An der Spitze Pater Lucius und Leonora mit Dai Puino, in der Mitte Kreijsman und Schmitz, am Ende Zynaker und Reißner. Samuel lief der Kolonne einige Meter voraus.
Wortlos gingen Zynaker und Reißner nebeneinander her, tauchten in den Weg ein, den man durch den Urwald geschlagen hatte und der wie eine grüne Röhre aussah, ewig feucht und glitschig. Vor ihnen, als letzter der Trägerkolonne, ging der große Krieger, bis zu den Waden verdeckt durch den Flugzeugsessel. Seine Hände umklammerten die Lehne, die er über den Kopf gezogen hatte. Schon nach einigen hundert Metern hörte man ihn keuchen, und ein halber Tag lag noch vor ihm.
»Eigentlich müßten Sie Ihren dämlichen Sessel tragen«, konnte sich Reißner nicht verkneifen zu sagen. »Der Kerl hält das doch niemals durch. Wenn sie ihn zu zweit trügen –«
»Das würde seine Kriegerehre verletzen. Und wenn er nachher im Dorf tot zusammenbricht – er bringt ihn ins Dorf. Haben Sie ein Foto von ihm gemacht?«
»Was denken Sie denn? Das sind Dokumente! Unbezahlbar. Wenn ich das erzähle und es nicht mit Fotos beweise, glaubt mir das doch kein Mensch. Eine Expedition ins Unbekannte mit einem Flugzeugsessel! Das geht ins Guinnessbuch der Rekorde ein, als Gipfelpunkt der Blödheit.«
»Abwarten, John Hannibal.« Zynaker war
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