talon018
Ohne noch zu einem klaren Gedanken fähig zu sein, robbte er durch das hohe Gras und brachte so viel Abstand zwischen sich und den Wagen wie möglich.
Doch plötzlich stellte sich ihm ein Schatten in den Weg.
Al-Hamidi sah in den Lauf eines Gewehrs, das ihm den Weg versperrte und hob den Kopf an. Die fast nackte Gestalt des Weißen war von Ruß und Dreck dunkel gefärbt, getrocknetes Blut bedeckte die rechte Seite, wobei nicht zu erkennen war, ob es sein eigenes war.
„Steh auf“, befahl Talon dem Kuwaiti auf Arabisch.
Zitternd kam der Mann in die Höhe und hob unwillkürlich die Arme leicht an, um zu zeigen, dass er sich ergab. Talons blaue Augen musterten kühl die klägliche Gestalt. Er richtete seine Kalaschnikov auf die Brust des Kuwaitis und streckte seinen eigenen Körper durch.
„Nein!“, brach es aus dem untersetzten Mann heraus. „Bitte … nicht! Ich – – ich habe Geld! Du kannst von mir haben, was du willst!“ Al-Hamidi konnte sehen, wie wenig der Vorschlag seinen Gegner interessierte. „Ich kann mit Ibn Said reden“, setzte er nach. „Er lässt dich frei, und die ganze Sache ist vergessen, ja?“ Dabei war er ein, zwei Schritte zurückgewichen, ohne wirklich fliehen zu wollen. Ein schmales Grinsen zog sich über Talons Lippen.
„Ich bin frei“, erwiderte er nur. „Du hast nichts, was mich interessieren würde.“
Der Kuwaiti sah in die Mündung des Gewehrs, das auf seinen Kopf gerichtet war. Leise kamen die Worte der ersten Sure über seine Lippen.
„Geh!“, hörte er plötzlich die Stimme des Weißen. Ungläubig sah er in dessen kalt glitzernden Augen, während sein Kopf nervös zuckte. „Was?“, fragte er, als habe er das Wort nicht richtig verstanden.
„Verschwinde“, wiederholte Talon beherrscht seine Aufforderung. Er deutete mit dem Lauf der Waffe auf die flach ansteigenden Hügel. Es war die entgegengesetzte Richtung zu Ibn Saids Anwesen. Al-Hamidi begehrte auf.
„Da draußen bin ich verloren! Ich kenne mich hier nicht aus!“
„Geh oder stirb hier“, machte Talon dem Araber seine Situation klar und ließ keinen Zweifel erkennen, dass er sein Angebot nicht wiederholen würde. „Ich werde hier warten, bis du am Horizont verschwunden bist. Danach kannst du zurückkehren.“
Der Kuwaiti schätzte die Entfernung zu den Hügeln auf gut zwanzig Kilometer. Bei dieser Hitze ohne Wasser wusste er, wie seine Chancen standen. Ein müdes Lächeln stahl sich um seine Lippen. Er nickte schwach und setzte sich in Bewegung.
„Sie kehren zurück in den Dschungel“, eröffnete Amos Vanderbuildt der jungen Frau übergangslos seine Pläne. Janet Verhooven war direkt vom Flughafen in das Firmengebäude gefahren und betrat gerade erst das große, fast leere Büro des charismatischen Mannes Anfang Fünfzig.
„Bitte?“, erwiderte die Frau mit den kurzen, modisch geschnittenen Haaren verwirrt und kam der wortlosen Geste nach, Platz zu nehmen. Sie schlug ihre schlanken Beine übereinander und wippte abwartend mit ihrem rechten Fuß. Es war ungewöhnlich, dass Vanderbuildt sie mitten aus einem Auftrag abzog und zurückbeorderte.
„Etwas zu trinken?“, fragte der Mann nach, als erinnere er sich jetzt erst an seine Umgangsformen. Seine Angestellte wirkte übermüdet und abgehetzt. Doch Janet winkte ab und beugte ihren Oberkörper leicht vor.
„Nein, danke. Was meinen Sie damit, ich ‚kehre in den Dschungel zurück’?“
Vanderbuildt erhob sich aus seinem breiten Sessel und ging um die Kante des Schreibtischs. Er griff in die Brusttasche seines Anzugs und zog ein schwarzes, fingerlanges Objekt hervor. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er es so, dass das hereinfallende Sonnenlicht genau auf seine Oberfläche fiel. Doch statt eines Lichtreflexes oder eines kurzen Aufleuchtens schien das Objekt das Licht völlig zu verschlucken.
„Sie haben mir diesen Splitter mitgebracht und mir etwas vom ‚Blut des schwarzen Löwen’ erzählt.“
Janets Augen fixierten ihren Chef. Sie hatte das kristallartige Gebilde sofort wieder erkannt, auch wenn inzwischen Monate seit diesem Auftrag vergangen waren. Hinter ihrer Stirn arbeitete es wild. Ihr Mund öffnete sich leicht, als wolle sie zu einer Erklärung ansetzen, doch dann schloss sie ihn wieder und griff stattdessen nach der Wasserkaraffe und schenkte sich doch etwas zu trinken ein.
„Seitdem habe ich meine Wissenschaftler auf dieses Objekt angesetzt. Ich habe Phänomene erlebt, die ich früher als Phantasterei abgetan hätte“,
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