Tamir Triad 02 - Die verborgene Kriegerin
Gefährten vor der Tür Wache stehen zu lassen – alle außer Caliel, der Niryn aus den Schatten nahe der Tür finster anstarrte.
Es war fast Mitternacht. Das Unwetter war seit dem Sonnenuntergang stetig stärker geworden. Schneeregen wurde von zornigen Windstößen gegen die Fenster gepeitscht. Abgesehen von den gelegentlich zuckenden Blitzen war die Nacht undurchdringlich.
»Um Skalas willen müsst Ihr zumindest die Möglichkeit in Erwägung ziehen«, bedrängte Niryn den Prinzen, als eine weitere Bö die Fenster erzittern ließ. »Diese neue Streitkraft aus dem Süden besteht nur aus Bauernpöbel. Sie wird die Wende ebenso wenig herbeiführen wie Tobins Armee. Nicht bei diesem Wetter. Sie wissen, dass sie zahlenmäßig unterlegen sind und haben sich zurückgezogen. Aber die feindlichen Wegbereiter haben nicht am Palatintor Halt gemacht. Ich kann sie hören, wenn der Wind aussetzt! Sie könnten jeden Augenblick durchbrechen, und was wollt Ihr dann tun? Ihr habt nur noch eine Handvoll Krieger übrig.«
»Die Plenimarer stecken im selben Unwetter«, warf Caliel ein, wobei seine Stimme vor kaum verhohlener Wut zitterte. »Korin, du kannst nicht einfach wegrennen.«
»Nicht schon wieder, meinst du?«, schoss Korin zurück und bedachte seinen Freund mit einem verbitterten Lächeln.
»Das habe ich nicht gesagt.«
Niryn freute es, endlich ein Anzeichen auf einen Bruch zu erkennen. »Es wäre keine Flucht, Fürst Caliel«, erklärte er besonnen. »Wenn die Plenimarer das Tor durchbrechen, werden sie jeden töten, den sie antreffen, auch unseren jungen König. Sie werden seinen Leichnam durch die Straßen schleifen und seinen Kopf als Trophäe in Benshâl zur Schau stellen. Zu ihrer Siegesfeier wird der Oberherr die Krone und Ghërilains Schwert tragen.«
Korin blieb stehen und umfasste den Griff des großen Schwertes, das an seiner Hüfte hing. »Er hat Recht, Caliel. Sie wissen, dass sie mit einem Angriff nicht das ganze Land einnehmen können, aber wenn sie Ero zerstören, die Schatzkammer plündern, das Schwert erbeuten und den Letzten der königlichen Linie töten – wie lang wird Skala danach noch Bestand haben?«
»Aber Tobin …«
»… ist eine genauso große Bedrohung«, schnitt Korin ihm das Wort ab. »Du hast die Berichte gehört. Jeder Anhänger Illiors, der noch in der Stadt weilt, tuschelt darüber und behauptet, die wahre Königin sei zurückgekommen, um das Land zu retten. Heute wurden drei weitere Priester hingerichtet, aber der Schaden ist bereits angerichtet. Wie lange wird es dauern, bis dieser Abschaum den Abtrünnigen das Tor öffnet? Du hast die Banner unter Tobins Armee gesehen; die ländlichen Gebiete erheben sich bereits, um sich ihm anzuschließen – oder ihr!« Mit einem angewiderten Knurren riss er die Hände hoch. »Es spielt keine Rolle, wie die Wahrheit aussieht; Trottel glauben immer, was sie hören. Und wenn es Tobin gelingt, durchzubrechen, was dann?« Er zog das Schwert und hob es an. »Lieber soll es der Oberherr bekommen als ein Verräter!«
»Du irrst dich, Korin. Warum kannst du das nicht begreifen?«, rief Caliel aus. »Wenn Tobin den Untergang der Stadt wollte, warum kommt er dann zu unserer Verteidigung? Er hätte genauso abwarten und die Eindringlinge die Drecksarbeit für ihn erledigen lassen können. Du hast gesehen, wie er heute gekämpft hat. Ich flehe dich an, warte. Lass noch einen Tag verstreichen, bevor du es tust.«
Alben stürmte herein und salutierte hastig vor dem Prinzen. »Korin, Wegbereiter sind unter der Mauer durchgebrochen, und das Haupttor ist gerade gefallen. Die Plenimarer strömen herein wie Ratten!«
Korins Augen glichen jenen eines Toten, als er sie auf Caliel richtete. »Ruf meine Garde und die Gefährten zusammen. Ero ist verloren.«
K APITEL 58
Ob des sintflutartigen Gusses hatte Tobins Armee keine andere Wahl, als stillzuhalten und das Morgengrauen abzuwarten.
Mit Piken, Mänteln und ein wenig Strauchmagie gelang es den Zauberern, kleine Zelte für sich selbst, Tobin und ihre Offiziere zu errichten.
Tobin und Tharin unterhielten sich ausführlich mit den Überlebenden aus dem Wurmloch, um so viel wie möglich über die Truppenstärke des Feindes zu erfahren, doch was sie zu berichten hatten, war mittlerweile überholt.
Irgendwann gegen Mitternacht ging ein bestürzter Aufschrei durch die Ränge, als sich am Himmel ein rötlicher Schimmer abzeichnete.
»Der Palatin!«, rief Ki aus. »Die Plenimarer müssen durchgebrochen
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