Tango Mosel
scheppernd gegen das Metallgestänge.
Walde tat es ihm nach und sah auf einen spitz zulaufenden Brückenpfeiler, auf dessen schmale Plattform eine Leiter führte. Daneben lag eine dunkelgraue Decke. An der Wölbung war zu erkennen, dass sie einen Menschen bedeckte.
»Da war nichts mehr zu machen, der war schon kalt, als wir ihn gefunden haben«, kommentierte der Feuerwehrmann.
»Um wen handelt es sich?« Walde schaute Grabbe an.
»Um einen Mann, Verletzungen am Kopf. Dr. Hoffmann ist schon unterwegs.«
»Hat jemand den Sturz beobachtet?«
»Nein, eine Krankenschwester, die zum Frühdienst in die Schwesterklinik unterwegs war, hat uns alarmiert.«
»Identität?«
»Der Krankenschwester?«
»Nein«, Walde deutete mit dem Zeigefinger nach unten. »Von dem da.«
»Also«, Grabbe atmete hörbar ein. »Das habe ich noch nicht überprüft.«
Walde schaute zu dem Frachter, der sich mit hoher Geschwindigkeit auf dem schnell fließenden Wasser näherte. Für einen Moment fragte er sich, ob das vom Hochwasser beschleunigte Schiff zwischen den Brückenpfeilern hindurch manövriert werden konnte.
»Ich kann da unmöglich runtersteigen.« Grabbe schaute so zögerlich über das Geländer, als folge dahinter die Eiger Nordwand.
»Sie können von uns eine Seilsicherung haben«, bot der Feuerwehrmann an.
Das Schiff sauste unter der Brücke hindurch. Walde sah schwarze Hügel im Laderaum, auf die das Steuerhaus und das Heck folgten, auf dem zwei Pkw parkten. Er streifte das Geschirr über, das ihm der Feuerwehrmann reichte und ließ sich das Seil einhaken, zog dünne Handschuhe an und stieg über das Geländer. Für einen Moment geriet er in einen Zustand der Schwebe zwischen festem Halt für die Füße und dem unsicheren Griff auf dem kalten, glatten Handlauf. Walde fasste an das Seil. Es war straff. Mit einer Seilsicherung wäre der arme Kerl da unten garantiert noch am Leben.
Beim Hinabsehen schien es ihm, als sei die Plattform zu klein, um ihn überhaupt aufnehmen zu können. Die Leiter gab im Vergleich zu der, die er ein paar Stunden vorher zur Baugrube hinuntergestiegen war, kaum nach, obwohl sie noch ein Stück länger wirkte. Er hatte das Gefühl, sich aus dem Alltag hinauszubewegen. Nur ein paar Meter entfernt von dem festen Boden begann eine andere Welt. Hier unten spürte er den Tod. Seinen eigenen, falls er selbst einen Fehler machte und der da oben am Seil nicht aufpasste, und den real anwesenden Exitus in der Person unter der Decke.
Für einen Moment dachte er an zu Hause, wo Doris und Annika sicher noch schliefen, Quintus hungrig im Garten ausharrte, die Töpfe ungespült auf dem Herd standen. Die Katze Minka hatte sich wahrscheinlich noch in ihrem Lieblingskorbstuhl verkrochen. Auf der Mitte der Leiter blickte Walde in ein dunkles Gesicht. Es dauerte eine Schrecksekunde, bis er realisierte, dass es sich um eine steinerne Maske an der Brückenmauer handelte.
Unten angekommen, ging er in die Hocke. Die Steinplatten waren von der Mitte des Pfeilers nach außen hin abgeschrägt. Walde probierte aus, ob seine Schuhe genügend Halt auf der nebelnassen Oberfläche fanden. Er brauchte eine Weile, bis er seine sich an die Leiter klammernde Hand lösen konnte, während er mit der anderen versuchte, die Decke so zu lüften, dass er den darunter liegenden Körper betrachten konnte, ohne den oben über das Geländer gereckten Köpfen Einblick zu gewähren. Waldes Armspanne reichte nicht aus, um an den Kopf der Leiche heranzukommen, die auf der schmal zulaufenden Spitze des Pfeilers lag.
Er blickte nach unten, wo zehn Meter tiefer ein quer treibender Baumstamm an den dicken Steinquadern vorbeischrammte.
Notgedrungen löste er die Sicherungshand von der Leiter. Kniend rutschte er auf den schmalen Grat zwischen dem Körper und dem Rand des Brückenpfeilers.
Endlich konnte er einen Blick auf das Gesicht des Toten werfen. Ein filigran ausrasierter Dreitagebart bedeckte das breite Kinn und einen schmalen Streifen über dem Mund. Die Augen waren geschlossen. Der dunkle Ansatz des kurzen Haares bildete über der Stirn ein Dreieck. Walde schob eine Hand in den Nacken des Toten. Die Haut war kalt. Er hob den Kopf leicht an. Darunter glaubte er in dem Streulicht aus Brückenlaternen und Morgengrauen eine kleine Blutlache auf dem Steinquader zu erkennen.
Das Tuckern eines Bootes kam näher. Walde sah das Boot der Wasserschutzpolizei langsamer werdend auf die Römerbrücke zufahren. Stadler stand am Bug und lüftete seine
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