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Tango Mosel

Tango Mosel

Titel: Tango Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Kupfer aus dem Plastikmantel geschält war, über die Bracken auf die Ladefläche zu wuchten. Die Baugrube selbst betrat er auch deshalb nicht, weil er sich seine Schuhe nicht ruinieren wollte. Er musste schon genug aufpassen, dass er sich mit dem rotbraunen Lehm, der an dem Kram klebte, nicht noch die Kleidung schmutzig machte.
    Zu den vereinbarten zwanzig Euro gab es noch einen Fünfer extra. Rocky stand noch eine Weile mit den beiden Scheinen in der lehmverschmierten Hand im Dieselgestank, den der Laster der Kabelräuber hinterließ. Er dachte darüber nach, ob er selbst nachschauen sollte, was mit dem abgestürzten Typen los war. Dann entschied er sich, zur nächsten Telefonzelle zu gehen.
    *
    »Das sind aber keine Matrosen oder so«, stellte Gabi fest. Sie beobachteten immer noch das Treiben auf der Neptun. Die Männer waren umso lauter geworden, je mehr Flaschen in der Mosel gelandet waren.
    »Nein, es sei denn, die Russen haben sich hierher verirrt«, sagte Monika. »Oder ist das Polnisch, was die da brüllen?«
    »Keine Ahnung«, sagte Grabbe. »Jedenfalls hat das Schiff keine Kanone mehr. Zumindest gab es mal am Bug eine. Und es fährt unter deutscher Flagge.«
    »Was machen die mit einem Minensuchboot auf der Mosel?«, sagte Gabi stirnrunzelnd.
    »Frag sie doch!« Grabbe wies zum Boot.
    »Ein andermal vielleicht.« Sie reckte sich und gähnte ausgiebig, ohne die Hand vor den Mund zu halten. Ein lautes Klingeln ließ sie abrupt den Mund zuklappen. Es war Grabbes Mobiltelefon.
    Er hörte eine Weile zu und bedankte sich. Mit dem ausgeschalteten Gerät in der Hand blieb er nachdenklich sitzen und schaute dann nacheinander seine Kollegen an.
    »Will niemand wissen, was los ist?«, fragte Grabbe. »Oder ahnt ihr es schon?«
    »Wie bitte?«, fragte Monika.
    »Wir gehen zusammen einen trinken, ich habe Rufbereitschaft, und schon wird eine Leiche in einer Baugrube gemeldet«, er blickte misstrauisch in die Runde. »Dämmert es bei einem von euch? Da kommen bei mir Erinnerungen an den Puppenmord hoch. Ihr seid doch nicht so phantasielos«, jetzt fixierte er nur noch Gabi, »das noch mal zu inszenieren?«
    »Hey, hey«, stöhnte Gabi, »hab ich mich damals entschuldigt oder nicht?« Als Grabbe sie weiter anstarrte, fügte sie hinzu. »Okay, wir haben die Puppe von Beate Uhse in die Grube geworfen, aber …«, sie schüttelte den Kopf, »soviel ich weiß, hat jetzt Walde die Puppe.«
    Walde verschluckte sich an dem Wein, an dem er gerade nippte, und musste husten.
    »Was ist denn jetzt?«, fragte Gabi.
    »Jemand ist angeblich von einem Abbruchhaus in die Baustelle der City-Passage gestürzt«, sagte Grabbe.
    »Was heißt angeblich?«
    »Die Feuerwehr sucht nach dem Opfer und hat noch nichts entdeckt, sagen die Kollegen. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt hinfahren soll.« Grabbe steckte sein Telefon ein.
    »Wir kommen mit.« Walde stand auf. Er schaute auf seine Uhr. Es war kurz vor eins. »Ich meine, falls ihr mitkommen wollt.«
     
    Schaulustige Nachtschwärmer machten ihrem Wagen erst Platz, als Gabi energisch die Hupe auf Grabbes Lenkrad drückte.
    Die Plane am Bauzaun war an einem Ende zurückgeschlagen. Ein mehrere Meter breites Element war aus dem Zaun entfernt worden. In der Lücke führten zwei Aluleitern nach unten.
    Eine Polizistin grüßte mit der Hand an der Mütze. Grabbe sprach mit ihr. Gabi, Monika und Walde blieben hinter ihm stehen.
    »Jemand soll von da oben runtergestürzt sein.« Die Kollegin deutete zu einem Haus auf der linken Seite, aus dem Stahlträger und eine helle Treppe wie Eingeweide hervorquollen. Dann zeigte sie zur Baugrube, wo die Lichtkegel starker Taschenlampen das Gelände abtasteten. Walde erinnerten sie an Bilder von Flaggscheinwerfern, die den Nachthimmel nach feindlichen Bombern absuchten.
    Die Leiter war höher, als er angenommen hatte, und bog sich ein wenig durch, als er etwa in der Mitte angekommen war. Unten war die Erde weich, und Walde sank tief ein, was seinen wildledernen Halbschuhen nicht eben gut tat. Die zwei trockenen Tage schienen dem Matsch in der Baugrube nicht die Laune verdorben zu haben.
    Gabi folgte Walde die Leiter hinunter. Zuerst konnte er lediglich die hohen Absätze und die Bänder oberhalb ihrer Knöchel erkennen.
    »Reich mir mal bitte deine Hand!«, bat sie.
    Walde fand auf einer kleinen Plattform oberhalb eines niedrigen Mauerstumpfs Halt und half Gabi zu sich hinauf.
    »Schöne Scheiße!« Geräuschvoll öffnete sie den Reißverschluss ihrer Tasche.

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