Tante Julia und der Kunstschreiber
zornig machen oder dazu reizen könne, mir wehzutun, und gab mir die Telephonnummer des Hauses, wo sie wohnten. Mein Vater ließ mich wissen, daß er mich am nächsten Morgen um 11 Uhr empfangen wolle, dort, wo früher, bevor er in die Vereinigten Staaten ging, sein Büro gewesen war. Das war am Jirón Carabaya am Ende eines gekachelten Flures, von dem zu beiden Seiten Apartments und Büros abgingen. In der Im- und Exportfirma – ich erkannte einige Angestellte wieder, die mit ihm gearbeitet hatten – ließ man mich bis zum Zimmer des Geschäfts führers vor. Mein Vater war allein, er saß an seinem alten Schreibtisch. Er trug einen cremefarbenen Anzug und eine grüne Krawatte mit weißen Punkten; ich fand ihn schlanker als vor einem Jahr und etwas blaß. »Guten Tag, Papa«, sagte ich von der Tür aus und gab mir große Mühe, daß meine Stimme fest klänge. »Sag mir, was du zu sagen hast«, sagte er mehr neutral als zornig und deutete auf einen Stuhl.
Ich setzte mich auf die Kante und holte tief Luft wie ein Turner, der sich auf seine Übung vorbereitet. »Ich bin gekommen, um dir zu erzählen, was ich tue, was ich tun werde«, stotterte ich.
Er schwieg und wartete darauf, daß ich weiterspräche. Dann, sehr langsam, um gelassen zu erscheinen, und dabei stets seine Reaktionen beobachtend, beschrieb ich ihm vorsichtig die verschiedenen Arbeiten, die ich ergattert hatte, sagte, was ich bei jeder verdiente, wie ich meine Zeit eingeteilt hatte, um alle zu erledigen und außerdem noch meine Aufgaben zu machen, um die Examina an der Universität zu bestehen. Ich log nicht, präsentierte jedoch alles im vorteilhaftesten Licht: Ich hatte mein Leben auf intelligente und ernsthafte Weise eingerichtet und war bestrebt, mein Studium zu beenden. Als ich schwieg, blieb auch mein Vater stumm und wartete auf die Schluß folgerung. Also mußte ich es, mehrmals schluckend, selbst sagen: »Du siehst, daß ich mir meinen Lebensunterhalt verdienen, mich ernähren und weiterstudieren kann.« Und dann, als ich spürte, daß meine Stimme so dünn wurde, daß man sie kaum noch hören konnte: »Ich bin gekommen, um dich um Erlaubnis zu bitten, Julia zurückzurufen. Wir haben geheiratet, und ich kann nicht weiter ohne sie leben.«
Er runzelte die Stirn, wurde noch blasser, und einen Augenblick dachte ich, er würde einen jener Wutanfälle bekommen, die der Albtraum meiner Kindheit gewesen waren. Ab.er er beschränkte sich darauf, mir trocken zu sagen:
»Du weißt, diese Ehe ist ungültig. Du kannst als Minderjähriger nicht ohne Erlaubnis heiraten. Das heißt, wenn du geheiratet hast, konntest du es nur, indem du die Erlaubnis oder deine Geburtsurkunde fälschtest. In beiden Fällen ist die Ehe leicht zu annullieren.«
Er erklärte mir, daß die Fälschung eines Dokuments etwas sehr Schlimmes sei, das vom Gesetz bestraft werde. Wenn jemand das zerbrochene Geschirr zu bezahlen hätte, dann sei nicht ich es, der Minderjährige, den die Richter als den Verführten betrachteten, sondern die Großjährige, die logischerweise als Verführerin angesehen werde. Nach dieser gesetzlichen Darlegung der Fakten, die er in eisigem Ton vortrug, sprach er lange mit mir und ließ nach und nach etwas Gefühl durchblicken. Daß ich glaube, er hasse mich, obwohl er in Wirklichkeit nur mein Bestes gewollt habe; wenn er sich hin und wieder streng gezeigt habe, so nur, um meine Fehler zu korrigieren und mich auf die Zukunft vorzubereiten. Meine Rebellion, mein Widerspruchsgeist würden mich noch ins Verderben stürzen. Diese Ehe bedeute, mir eine Schlinge um den Hals legen. Er habe sich widersetzt, weil er mein Bestes im Auge habe und nicht, wie ich dächte, um mir zu schaden, denn welcher Vater liebe nicht seinen Sohn? Außerdem verstehe er, daß ich mich verliebt hätte, das sei nichts Böses, eher ein Zeichen von Männlichkeit, viel schlimmer wäre es, zum Beispiel, wenn ich homosexuelle Neigungen hätte. Aber mit achtzehn Jahren, ein junger Bengel, ein Student, eine richtige Frau heiraten, darüber hinaus noch eine geschiedene, sei ein unausdenkbarer Blödsinn, dessen Folgen ich erst viel später begreifen würde, wenn ich wegen dieser Ehe ein verbitterter Mann, ein armer Teufel geworden sei. Er wünsche mir das nicht, er wünsche ja nur das Beste und das Allergrößte für mich. Also sollte ich wenigstens versuchen, das Studium nicht abzubrechen, denn das würde ich immer bereuen. Er stand auf, und ich stand ebenfalls auf. Es folgte ein ungemütliches
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