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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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gefangen zu sein scheinen. Der Mann konnte dreißig Jahre alt sein, aber auch fünfzig; sein schwarzes Haar reichte ihm bis auf die Schultern und glänzte ölig. Seine Haltung, seine Bewegungen, sein Gesichtsausdruck wirkten wie eine Verhöhnung alles Spontanen und Natürlichen und erinnerten an eine Gliederpuppe, an eine Marionette. Er machte eine höfische Verbeugung, und mit einer Feier lichkeit, die so ungewöhnlich war wie seine ganze Person, stellte er sich vor: »Ich komme, um Ihnen eine Schreib maschine zu entführen, meine Herren. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir behilflich wären. Welches ist die bessere Maschine?« Sein Zeigefinger deutete abwechselnd auf meine Schreibmaschine und auf Pascuals. Obwohl ich von meinen Besuchen bei Radio Central an Kontraste zwischen Stimme und physischer Erscheinung gewöhnt war, überraschte mich, daß aus einer so winzigen Gestalt von so hilflosem Aussehen eine so kräftige und klangvolle Stimme, eine so perfekte Diktion hervorquellen konnten. Es schien in dieser Stimme nicht nur jeder Buchstabe aufzumarschieren, ohne daß auch nur ein einziger verstümmelt wurde, sondern auch die Teilchen, die Atome, die Töne des Tons. Ungeduldig, ohne unsere Überraschung zu beachten, die sein Aussehen, sein herrisches Auftreten und seine Stimme bei uns hervorriefen, begann er, die beiden Schreibmaschinen zu untersuchen, ja zu beriechen. Er entschied sich für meine alte, gewaltige Remington, einen Leichenwagen, an dem die Jahre spurlos vorübergegangen waren. Pascual reagierte als erster:
    »Sind Sie ein Dieb, oder was sind Sie?« schalt er ihn, und ich merkte, daß er die Sache mit dem Erdbeben von Isfahan wiedergutmachen wollte. »Was fällt Ihnen ein, dem Nachrichtendienst einfach eine Schreibmaschine wegzunehmen?« »Die Kunst ist wichtiger als dein Nachrichtendienst, du Schelm«, donnerte ihn der Mensch an, warf ihm einen Blick zu, als wäre er niederes Kroppzeug, und fuhr in seiner Operation fort. Während Pascual ihm verdutzt zusah und genau wie ich darüber nachsann, was »Schelm« bedeuten sollte, versuchte unser Besucher, die Remington hochzuheben. Es gelang ihm, das Ungetüm unter gewaltiger Anstrengung anzuheben, wobei die Venen seines Halses anschwollen und ihm beinahe die Augen aus den Höhlen sprangen. Sein Gesicht lief dunkelrot an, Schweiß trat auf seine kleine Stirn, aber er gab nicht auf. Mit zusammengebissenen Zähnen schaffte er es, ein paar schwankende Schritte zur Tür zu machen, doch dann mußte er aufgeben. Noch eine Sekunde, und die Last hätte ihn zu Boden gerissen. Er stellte die Remington auf Pascuals Tischchen und keuchte. Das Grinsen, das sich bei diesem Schauspiel auf unseren Gesichtern zeigte, vollkommen ignorierend (Pascual hatte sich mehrfach mit dem Finger an die Stirn getippt, um anzudeuten, daß er ihn für einen Irren hielt), rügte er uns streng, sobald er wieder zu Atem gekommen war:
    »Seien Sie doch nicht so gleichgültig, meine Herren, ein bißchen mehr menschliche Anteilnahme. So helfen Sie mir doch.« Ich sagte, es tue mir sehr leid, aber wenn er diese Remington mitnehmen wolle, müsse er zuerst über Pascuals Leiche und dann noch über meine. Das Männchen rückte sein Schleifchen zurecht, das bei der Anstrengung leicht in Unordnung geraten war, und zu meiner Überraschung entgegnete er, sehr ernst nickend, mit einer Grimasse des Zorns und allen Anzeichen völliger Humorlosigkeit:
    »Ein Mann von Stand weist niemals eine Herausforde rung zum Kampf zurück. Ort und Stunde bitte, meine Herren.« Wie von der Vorsehung geschickt, erschien Genaro jun. in unserem Verschlag und vereitelte, was die Formalisierung eines Duells zu werden schien. Er trat in dem Augenblick ein, in dem das halsstarrige Männchen, violett anlaufend, aufs neue versuchte, die Remington in seine Arme zu nehmen. »Lassen Sie, Pedro, ich helfe Ihnen«, sagte er und entriß ihm die Maschine, als wäre sie eine Streichholzschachtel. Dann begriff er wegen unserer Gesichter, daß er uns eine Erklärung schuldete, und tröstete uns amüsiert: »Es ist niemand gestorben, es gibt auch keinen Grund zur Traurigkeit. Mein Vater wird Ihnen die Maschine sofort ersetzen.«
    »Man behandelt uns wie das fünfte Rad am Wagen«, protestierte ich, um die Form zu wahren. »Man hält uns in einem schmutzigen Verschlag, einen Schreibtisch hat man mir schon weggenommen, um ihn dem Buchhalter zu geben, und jetzt meine Remington. Und niemand hält es für nötig, einem etwas zu

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