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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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neuem seiner Schwiegertochter zuwandte, die bei diesen Familienmahlzeiten immer den Gegenstand seiner Schmeicheleien und Aufmerksamkeiten bildete. Durch sie hoffte er nämlich den Vater Crevel umzustimmen und ihn von seinem Hasse abzubringen.
    Schwerlich konnte man beim Anblick dieses Familienbildes glauben, daß der Vater vor dem Ruin stand, daß die Mutter in Verzweiflung war, daß der Sohn in größter Besorgnis um seines Vaters Zukunft schwebte und daß die Tochter im Begriffe war, ihrer Tante den Geliebten abspenstig zu machen.
     
    Um sieben Uhr, als er seinen Bruder, seinen Sohn, die Baronin und Hortense am Whisttische sah, ging der Baron fort, um seine Geliebte in der Oper zu bewundern, und nahm Tante Lisbeth, die in der Rue du Doyenné wohnte, mit in seine Droschke. Unter dem Vorwande, daß es in ihrer Gegend so einsam sei, pflegte sich Lisbeth stets sofort nach dem Essen zu empfehlen. Diese Maßregel des alten Fräuleins war sehr vernünftig.
    Daß das alte Häuserviertel längs des Louvre noch immer besteht, ist einer der Widersprüche gegen den gesunden Menschenverstand, die sich die Franzosen so gerne leisten, damit sich Europa zu seiner Beruhigung überzeugen kann, daß der Fortschritt nicht so schlimm ist, wie er aussieht. Vielleicht verfolgt man damit unbewußt eine große politische Idee. Sicherlich ist es aber keine überflüssige Arbeit, diesen Winkel des modernen Paris zu beschreiben; denn später wird man sich so etwas gar nicht mehr vorstellen können. Unsere Enkel, die zweifellos das Louvre vollendet sehen, werden nicht glauben wollen, daß es so lange in der schändlichsten Umgebung gestanden hat, im Herzen von Paris, dieser Palast, in dem drei Dynastien in einem Zeiträume von sechsunddreißig Jahren die Blüte Frankreichs und Europas empfangen haben.
    Von dem Portal aus, das nach dem Pont du Carrousel und der Rue de Musée führt, fällt einem ein Dutzend Häuser mit zerfallenen Vorderseiten auf, die von den unbekümmerten Besitzern nicht mehr ausgebessert werden. Man steht vor den Überbleibseln eines alten Viertels, das zerstört wurde, als Napoleon den Plan faßte, das Louvre zu vollenden. Die Rue du Doyenné mit ihrer Sackgasse dringt einzig und allein in dieses düstere und einsame Häuserviertel ein, dessen Bewohner einem wie Gespenster vorkommen; denn eigentlich sieht man dort keinen Menschen. Das Pflaster, viel tiefer als das der Rue du Musée, liegt ungefähr in einer Höhe mit dem der Rue Froidmanteau. Schon durch die Erhöhung des Platzes erscheinen diese Häuser wie verschüttet; dazu kommt noch, daß sie von dem undurchdringlichen Schatten umhüllt sind, den die hohen, an dieser Seite vom Nordwind geschwärzten Galerien des Louvre werfen. Dunkelheit, Stille, eiskalte Luft und die Kellertiefe machen diese Häuser gewissermaßen zu Grüften, zu lebendigen Gräbern. Wenn man im Wagen an diesem toten Viertel entlangfährt, gruselt es einen, und man fragt sich, wer wohl da wohnen könne und wer am Abend hier zu gehen wage, zu der Zeit, wo sich dies Gäßchen in eine Räuberhöhle verwandelt, wo alle Laster von Paris unter dem Deckmantel der Nacht aufwachen. Dieser an sich schon beunruhigende Gedanke beängstigt einen geradezu, wenn man sieht, daß diese sogenannten Häuser nach der Rue de Richelieu hin an lange Moräste grenzen, nach der Tuilerienstraße an ein wahres Meer von Pflastersteinhaufen, nach den Galerien an kleine Gärten und unheimliche Baracken und nach der Seite des alten Louvre an Felder von Abbruchsteinen. Heinrich III. und seine Lieblinge, die ihre Hosen, und Königin Margaretes Liebhaber, die ihre Köpfe suchen, mögen bei Mondenschein ihre Menuetts tanzen in diesen Wüsteneien, die überragt werden von der Kuppel einer alten Kapelle, die noch dort steht, als wolle sie beweisen, daß der in Frankreich nimmermüde Katholizismus alles überdauert. Seit fast vierzig Jahren schreit das Louvre aus all den aufgerissenen Mäulern dieser geborstenen Mauern, aus all diesen gähnenden Fensterhöhlen: »Entfernt diese Schandflecke aus meinem Gesichtskreis!« Zweifellos sieht man aber in dieser Mördergrube eine Art Symbol und hält es für nützlich, damit im Herzen von Paris die nahe Verwandtschaft von Elend und Glanz, die Merkmale dieser Königin der Weltstädte, zu zeigen. Und wer weiß, ob diese kahlen Ruinen, diese verruchten Baracken der Rue du Musée mit ihren Reihen von Holzbuden nicht ein längeres und glücklicheres Dasein haben als die drei Herrscherhäuser.
    Seit

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