Tante Lisbeth (German Edition)
entgegen. Als sie näher kam, vernahm sie das Gemurmel zweier Stimmen. Entsetzt erkannte sie die Stimme ihres Mannes. Um den wohlbedachten Widerstand des garstigen Weibsbildes zu brechen, vergaß sich der von den Reizen Agathes entflammte Greis so weit, daß er gerade sagte:
»Agathe, meine Frau wird nicht mehr lange leben. Wenn du willst, kannst du dann Baronin werden!«
Adeline schrie laut auf, ließ den Leuchter fallen und entfloh.
Drei Tage darauf kam ihr letztes Stündlein. Unmittelbar vor ihrem Verscheiden faßte sie die Hand ihres Mannes, drückte sie noch einmal und flüsterte ihm leise zu:
»Mein Lieber, ich gebe dir das Letzte, mein Leben. Einen Augenblick noch, und du bist frei. Dann kannst du eine andere zur Baronin Hulot machen!«
Man sah, was bei Sterbenden selten ist, Tränen in ihren Augen. Die Grausamkeit der Sinnenlust hatte die Geduld eines Engels vernichtet. Am Rande des ewigen Nichts entschlüpfte der demütigen Frau das erste und einzige vorwurfsvolle Wort ihres ganzen Ehelebens.
Drei Tage nach ihrer Beerdigung verließ der Baron Hulot Paris, und etwa ein Jahr später erfuhr Viktor zufällig, daß sein Vater am 1. Februar 1846 in Isigny Fräulein Agathe Piquetard geheiratet hatte.
Weitere Kostenlose Bücher