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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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war ein Faustschlag. Steinbock verfiel in den düstersten Trübsinn und in vollkommene Schweigsamkeit.
    In der nächsten Nacht hörte Lisbeth abermals Selbstmordvorbereitungen. Schnell stieg sie die Treppe zu ihres Schützlings Wohnung hinauf und lieferte ihm den Haftbefehl und eine rechtsgültige Quittung aus.
    »Ach, mein Sohn, verzeihe mir!« bat sie mit feuchten Augen. »Werde glücklich! Verlasse mich! Ich quäle dich zu sehr. Aber versprich mir wenigstens, daß du manchmal an das arme Ding zurückdenken wirst, das dich dem Leben wiedergewonnen hat! Ach, du bist ja selber die Ursache all meiner Abscheulichkeit. Ich könnte sterben: was würde dann aus dir ohne mich? Das ist es ja, warum ich es nicht erwarten kann, dich in der Lage zu sehen, leicht verkäufliche Gegenstände herzustellen. Für mich will ich mein Geld doch nicht zurückhaben. Ich habe nur Angst vor deiner Trägheit, die du Träumerei nennst, und vor deinen Plänen, denen du in den Himmel starrend stundenlang nachhängst. Ich will doch nur, daß du dich an eine regelmäßige Tätigkeit gewöhnst.«
    Sie sagte das in einem Tone und mit einem Blicke, die im ! Verein mit ihrer Haltung einer Flut von Tränen den hochgesinnten Künstler aufs tiefste rührten. Er drückte seine Wohltäterin ans Herz und küßte sie auf die Stirn.
    »Behalte deine Schriftstücke nur!« meinte er beinahe heiter. »Warum willst du mich erst nach Clichy bringen? Bin ich hier nicht ebenso gefangen durch die Dankbarkeit?«
    Dieser Zwischenfall in ihrem gemeinsamen Leben hatte im Laufe eines halben Jahres in dreifacher Weise auf Steinbocks Schaffen gewirkt. Er hatte das Petschaft gemacht, das sich in Hortenses Händen befand, dann die Gruppe, die der Antiquitätenhändler ausstellte, und endlich eine wundervolle Standuhr, die bis auf die äußere Herrichtung vollendet war. Diese Uhr verkörperte die zwölf Stunden wundervoll durch zwölf Frauengestalten, die in einem so rasend tollen Kreistanz dahinwirbelten, daß drei kleine Amoretten, über Blumen und Früchte nachstürmend, gerade nur noch die letzte, die Mitternachtsstunde, erhaschten. Ihr Gewand zerriß in den Händen des kecksten der kleinen Wichte. Die Uhr ruhte auf einem runden Postament mit feiner Ornamentik, die allerhand phantastische Tiere zeigte. Das Zifferblatt lag in dem gähnenden Rachen eines Ungeheuers. Jede Frauengestalt trug ein Sinnbild, das sehr glücklich auf die Beschäftigung der einzelnen Stunde hindeutete.
    Die seltsame Zuneigung Lisbeths zu ihrem Livländer war leicht begreiflich; sie wollte ihn wirklich glücklich machen. Aber er welkte und siechte in seiner Dachkammer dahin. Die Lothringerin bewachte ihren Schützling mit der Zärtlichkeit einer Mutter, der Eifersucht einer Gattin und der Schlauheit eines Drachen. Es gelang ihr, ihm jegliche Torheit, jegliche Zerstreuung unmöglich zu machen, indem sie ihn stets ohne Geldmittel ließ. Sie wollte ihr Opfer, ihren Gefährten ganz für sich allein und erzwungen treu haben. Sie sah nicht ein, wie grausam und unvernünftig das war, denn sie selber war an das Ertragen jedweder Art ven Enthaltsamkeit gewöhnt. Sie liebte ihn so ideal, daß sie auf seine leibliche Liebe verzichtete, und doch dabei so egoistisch, daß sie ihn keiner andern Frau gönnte. Sie vermochte sich nicht damit zu begnügen, ihm nur die Mutter zu sein, und doch hielt sie sich selber für verrückt, wenn sie mitunter an eine andere Möglichkeit dachte.
    Dieser Zwiespalt, die wilde Eifersucht und das Glück, einen Menschen ihr eigen zu nennen, dies alles erschütterte ihr ganzes Wesen bis in die Tiefen. Seit vier Jahren wirklich verliebt, nährte sie die törichte Hoffnung, der widerspruchsvolle und aussichtslose Zustand könne von Dauer sein. Ihr Starrsinn mußte den Untergang dessen herbeiführen, den sie ihren Sohn nannte. Der Kampf in ihr zwischen Gefühl und Verstand machte sie ungerecht und herrisch. Sie rächte sich an dem jungen Manne dafür, daß sie weder jung, schön noch reich war. Jedesmal freilich, wenn sie sich so gerächt hatte, sah sie ihr Unrecht ein und war dann von unendlicher Demut und Zärtlichkeit. Sie erkannte immer erst dann, daß es ihre Pflicht war, ihrem Idol ein Opfer zu bringen, wenn sie ihm ihre Macht durch Folterungen hatte fühlen lassen. In den Augen dieses unglücklichen jungen Träumers, der so hochfliegende Pläne hegte und so sehr zum Müßiggange neigte, konnte man lesen, wie öde und leer ihm sein Leben durch die Schuld seiner Beschützerin

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