Tanz der Liebenden
stellte das kleine blaue Auto zurück ins Regal. „Ihr Sohn wird über diesen Wagen begeistert sein. Ist er Ihr einziges Kind?“
„Ja, es gibt nur Jack.“
„Sicher hält er Sie und Ihre Frau genügend auf Trab. Also, wenn Sie mich dann entschuldigen wollen …“
„Jacks Mutter ist vor vier Jahren gestorben. Aber ja, es stimmt, mich hält er auf jeden Fall in Atem. Und lassen Sie in Zukunft Vorsicht walten, wenn Sie an eine Kreuzung kommen, Kate.“ Damit klemmte er sich den Betonmischer unter den Arm und ließ Kate stehen.
„Na, toll“, zischelte Kate mit angehaltenem Atem. „Das kann ja heiter werden.“
Der Nachmittag war ihr gründlich verdorben.
Das Beste an einem eigenen Geschäft, nach Brodys Meinung, war die Tatsache, dass man seine Prioritäten selbst setzen konnte. Sicher, es gab da genügend Dinge, die einem Kopfschmerzen bereiteten – die Verantwortung, der Papierkram, die Organisation und Planung der einzelnen Jobs und nicht zuletzt die Tatsache, dass man sicherstellen musste, dass es überhaupt Jobs zu organisieren gab –, aber dieser eine Faktor machte alles wieder wett.
Denn in den letzten sechs Jahren hatte es für ihn nur eine Priorität gegeben. Und die hieß Jack.
Nachdem Brody den Betonmischer unter einer schwarzen Plane auf seinem Pick-up verstaut hatte, bei einer Baustelle vorbeigefahren war, um zu kontrollieren, dass seine Arbeiter weiterkamen, bei einem Lieferanten telefonisch gut Wetter gemacht hatte, um eine Materiallieferung vorzuziehen, und dann bei einem potentiellen Kunden einen Kostenvoranschlag für eine Badezimmerrenovierung abgegeben hatte, machte er sich auf den Weg nach Hause.
Montags, mittwochs und freitags ließ er es sich nicht nehmen, zu Hause zu sein, bevor der klapprige Schulbus sich die Straße hinaufquälte. An den anderen beiden Schultagen – und falls es sich nicht vermeiden ließ – ging Jack zu seinem besten Freund Rod Skully nach Hause und verbrachte dort eine oder zwei Stunden, bis Brody ihn abholte.
Brody schuldete Beth und Jerry Skully viel. Die freundlichen Nachbarn passten auf Jack auf, wenn zu Hause niemand war. In den zehn Monaten, seit Brody wieder nach Shepherdstown zurückgekehrt war, wurde ihm jeden Tag wieder bewusst, welche Vorteile es hatte, in einer Kleinstadt zu leben.
Heute, mit dreißig, fragte er sich, warum der junge Mann, der er vor zehn Jahren gewesen war, diese Stadt nicht schnell genug hatte verlassen können. Wie wäre sein Leben wohl verlaufen, wenn er geblieben wäre?
Aber es war gut so gewesen, entschied er in Gedanken. Wenn er nicht von hier weggegangen wäre, hätte er Connie nicht kennen gelernt. Und dann gäbe es Jack nicht.
Der Kreis war fast geschlossen. Wenn die Kluft zwischen ihm und seinen Eltern auch noch nicht überbrückt war – er machte eindeutig Fortschritte. Besser gesagt, Jack war verantwortlich für die Fortschritte. Sein Vater trug dem Sohn vielleicht etwas nach, aber dem Enkel konnte er nicht widerstehen.
Er hatte gut daran getan, nach Hause zu kommen. Brody sah auf den dichten Wald, durch den sich die Straße wand. Die ersten Schneeflocken rieselten vom grauen Himmel. Hügel – felsig und zerklüftet – erhoben sich in der Landschaft, so wie es ihnen gefiel.
Es war eine gute Gegend, um einen Jungen großzuziehen. Viel besser als die Stadt. Es tat ihnen beiden gut, an einem Ort neu anzufangen, wo Jack Familie hatte.
Brody bog in die Seitenstraße ab und stellte den Motor ab. Der Schulbus würde gleich kommen, Jack würde herausspringen, zum Pick-up herübergerannt kommen und die Fahrerkabine mit überschäumender Energie und aufgeregten Erzählungen füllen, was an diesem Tag alles passiert war.
Schade, dachte Brody, dass er mit einem Sechsjährigen nicht teilen konnte, was an seinem Tag so passiert war.
Schließlich konnte er seinem Sohn schlecht sagen, dass sich zum ersten Mal seit langem wieder Interesse an einer Frau in ihm regte. Es war auch kein leichtes Regen gewesen, eher so etwas wie ein Schlag mit voller Wucht. Er konnte Jack nicht sagen, dass er nahe – sehr nahe – daran gewesen war, sich darauf einzulassen.
Schließlich war es so verdammt lange her.
Und mal ehrlich, was hätte es geschadet? Eine attraktive Frau, die ganz offensichtlich kein Problem damit hatte, den ersten Schritt zu tun. Ein bisschen flirten, ein paar zivilisierte Verabredungen, danach ein wenig nicht ganz so zivilisierter Sex. Jeder bekam, was er wollte, niemand wurde verletzt.
Er fluchte mit
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