Odyssey 01 - In die Dunkelheit
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Während sein Kampfjäger die Atmosphäre hinter sich ließ, griff Eric Weston nach vorn und bediente eine Reihe von Schaltern, um den Überschall-Verbrennungs-Staustrahl zu deaktivieren und den Sauerstoffdruck in den Zweistrahler zu leiten. Nun war der Luftstrom, der durch den Flugzeugrumpf gefegt war, längst abgeebbt und nicht mehr spürbar, als er den Bug des Flugzeugs nach unten lenkte und auf die geosychrone Umlaufbahn zuhielt. Vor der Scheibe des Cockpits war jetzt deutlich die Rundung der Erde zu erkennen. Lässig ließ er den Kampfjäger eine halbe Drehung vollführen, sodass er einen Moment lang den Anblick des weit unter ihm liegenden Planeten genießen konnte.
Von hier oben sieht alles so viel freundlicher aus. So heiter im Vergleich zu dem, was ich dort unten gesehen habe. Japan, Kalifornien, Hongkong: Nichts erinnert von hier aus an die Schlachtfelder, über denen ich gekämpft habe. Nüchtern dachte Eric Weston an seine ersten Einsätze während des Dritten Weltkriegs zurück. Als der Krieg ausbrach, hatte seine Kompanie zu den ersten Angriffszielen der Block-Streitkräfte gehört. In den wenigen Minuten Vorwarnung, die ihnen die Küstenabwehr verschafft hatte, war es Weston gelungen, die anderen Testpiloten so zu organisieren, sodass die Prototypen der Kampfflugzeuge rechtzeitig vor dem Bombenangriff vom Boden abgehoben hatten.
Da sie wehrlos waren, hatten sie jedoch nur zusehen können, wie die Vernichtungswaffen ihre Anlage zerstört und nahezu jeden von Westons Freunden und Kameraden getötet hatten. Danach war es für ihn nicht mehr in Frage gekommen, sich aus den Kampfhandlungen herauszuhalten.
Er ließ das Flugzeug erneut drehen, denn jetzt wollte er sich seinen Bestimmungsort gründlich ansehen, anstatt sich weiter in Erinnerungen zu verlieren.
Am Lagrange-Punkt 4 schwebte sein neuer Einsatzort friedlich dahin: das Raumschiff Odyssey der Nordamerikanischen Konföderation, das ihn bereits erwartete. Während er auf schnellem Anflugkurs darauf zuhielt, wartete das Schiff geduldig darauf, seinen künftigen Captain zu empfangen.
Ha, das Ding ähnelt ja tatsächlich einem alten Segelschiff. Allerdings musste Weston sich gleich darauf eingestehen, dass die Ähnlichkeit ihm wohl kaum aufgefallen wäre, hätten die Schiffskonstrukteure nicht ständig darauf hingewiesen. Man musste schon sehr viel Vorstellungskraft bemühen, um die zylinderförmig angelegten Habitate der Odyssey mit dem Schiffskörper einer Segelfregatte in Verbindung zu bringen. Der Rest war leichter zuzuordnen. Ein langer Kiel – er schien den »Boden« des Raumschiffs zu markieren – war in Wirklichkeit ein in die Odyssey eingebettetes Flugzeugträgerdeck, das Raumfähren und Kampfflugzeuge aufnehmen konnte. Und die Sensorentürme ganz oben konnte man auch als die »Masten« des Schiffes deuten. Der hintere Maschinenraum sah wie das Achterschiff einer alten Fregatte aus, und aus dem Bug ragten Antennen, die Dutzende von Metern über das Schiff hinausreichten.
» Odyssey an Archangel Null Eins: Bitte ändern Sie den Anflugvektor auf Null-Zwei-Vier-Strich-Drei. Hiermit erteilen wir die Genehmigung für den Standardanflug zu Deck zwei.« Die Stimme, die über den Empfänger des Headsets zu ihm drang, klang deutlicher, als wenn die betreffende Person unmittelbar neben ihm im Cockpit gesessen hätte.
Weston bestätigte den Empfang des Funkspruchs und lenkte den Kampfjäger auf den neuen Anflugkurs. Gleich darauf löste der einweisende Offizier auf dem Flugzeugträgerdeck die Brückenkontrolle ab. »Archangel Null Eins: Ich hab Sie auf dem Schirm«, meldete sich dessen Stimme über den knisternden Funk. Die Störgeräusche wurden durch die wechselseitigen Interferenzen der Counter-Mass-Felder rings um das Kampfflugzeug und die Odyssey ausgelöst. »Können Sie das Leitsystem zur Landung auf Deck zwei auf Ihrem Schirm erkennen? Bitte bestätigen.« »Roger.«
»Bestätigt. Die Landebahn ist frei, alles im grünen Bereich. Kommen Sie, die Luft ist rein.«
Weston lenkte die schnittige Archangel Null Eins auf den Bug der Odyssey zu und richtete sie auf das in den massiven Schiffskiel eingebettete Flugzeugträgerdeck aus. Der vordere Teil des Decks lag zum Weltraum hin offen und bot auf diese Weise Kampfjägern und Shuttles schnellen Zugang, während die schweren Seitenschleusen für das kontrollierte Andocken sorgten. Als sich das höhlenartige Innere des Trägerdecks vor die sternhellen Tiefen des Raums schob,
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