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Tanz der seligen Geister (German Edition)

Tanz der seligen Geister (German Edition)

Titel: Tanz der seligen Geister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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und vielleicht in allen Speisen, die in ihrer Gegenwart gegessen wurden – in meinem Porridge morgens und in meinen Bratkartoffeln mittags und in dem Butterbrot mit braunem Zucker, das sie mir im Garten zu essen gab –, etwas Fremdes, Knirschendes, Bedrückendes. Wie konnten meine Eltern das nicht merken? Aber aus irgendeinem Grund gaben sie es nicht zu. Das hatte ich vor einem Jahr noch nicht gewusst.
    Nachdem sie die Wäsche aufgehängt hatte, musste sie ihre Füße weichen lassen. Ihre Beine ragten kerzengerade, rund wie Abflussrohre, aus der dampfenden Waschschüssel. Mit einer Hand auf jedem Knie beugte sie sich in den Dampf und stöhnte vor Schmerz und Befriedigung.
    »Bist du Krankenschwester?«, fragte ich ungeheuer kühn, obwohl meine Mutter gesagt hatte, sie sei eine.
    »Ja, bin ich, und ich wünschte, ich wär’s nicht.«
    »Bist du auch meine Tante?«
    »Wenn ich deine Tante wäre, würdest du dann nicht Tante Mary zu mir sagen? Und tust du das? Ich bin deine Kusine, ich bin die Kusine deines Vaters. Darum holen sie mich, statt sich eine richtige Krankenschwester zu besorgen. Ich bin Krankenpflegerin. Und in dieser Familie gibt es immer jemanden, der krank ist, und dann muss ich hin. Ich finde nie Ruhe.«
    Ich bezweifelte das. Ich bezweifelte, dass sie gebeten wurde zu kommen. Sie kam, kochte, was ihr gefiel, räumte alles um, so, wie sie es haben wollte, beschwerte sich über Zugluft und ließ jeden im Haus ihre Macht spüren. Wenn sie gar nicht erst gekommen wäre, hätte meine Mutter sich nicht krank ins Bett gelegt.
    Das Bett meiner Mutter wurde im Wohnzimmer aufgestellt, um Mary McQuade das Treppensteigen zu ersparen. Die Haare meiner Mutter wurden zu zwei kleinen, dünnen dunklen Zöpfen geflochten, ihre Wangen waren fahl, ihr Hals war warm und roch nach Rosinen wie immer, aber der Rest von ihr unter den Decken hatte sich in ein großes, empfindliches, nahezu unbewegliches, geheimnisvolles Ding verwandelt. Sie sprach von sich selbst traurig in der dritten Person, sagte: »Sei vorsichtig, tu Mutter nicht weh, sitz nicht auf Mutters Beinen.« Jedes Mal, wenn sie Mutter sagte,überlief mich ein Frösteln, ich fühlte mich elend und beschämt wie bei der Erwähnung von Jesus. Diese Mutter , die von meiner eigenen echten, jähzornigen, tröstenden menschlichen Mutter zwischen uns gestellt wurde, war ein auf ewig verwundetes Phantom, das sich wie ER wegen meiner zukünftigen bösen Taten grämte, von denen ich noch gar nichts wusste.
    Meine Mutter häkelte Quadrate für eine große wollene Häkeldecke in allen Purpurtönen. Sie rutschten zwischen das Bettzeug, aber das war ihr egal. Sobald sie fertig waren, vergaß sie sie. Sie hatte auch alle ihre Geschichten vergessen, die von Prinzen im Verlies handelten und von einer Königin, der der Kopf abgeschlagen wurde, während sich unter ihrem Kleid ein kleiner Hund verbarg, und von einer anderen Königin, die das Gift aus der Wunde ihres Mannes sog; ebenso auch die aus ihrer eigenen Kindheit, eine Zeit, die für mich so weit fort war wie jede andere. Marys Pflege ausgeliefert, jammerte sie wie ein kleines Kind: »Mary, reib mir doch den Rücken ein, bitte, bitte.« – »Mary, machst du mir eine Tasse Tee? Ich habe das Gefühl, wenn ich noch einen Tee trinke, werde ich zur Decke aufsteigen wie ein großer Luftballon, aber weißt du, das wäre mir ganz recht.« Mary lachte kurz. »Du«, sagte sie, »du wirst nirgendwohin aufsteigen. Braucht ja einen Hebebock, um dich zu bewegen. Komm schon, hoch mit dir, erst ist’s schlimm, aber dann wird’sbesser!« Sie scheuchte mich vom Bett herunter und zog das Bettzeug sehr unsanft zurecht. »Hast du deine Mama überanstrengt? Was musst du denn deine Mama an so einem schönen Tag piesacken?« – »Ich glaube, sie ist einsam«, sagte meine Mutter, eine schwache und unaufrichtige Verteidigung. »Draußen im Garten kann sie genauso gut einsam sein wie hier«, sagte Mary obenhin auf ihre befehlerische Art. »Zieh dir was über, und raus mit dir!«
    Mein Vater hatte sich seit ihrer Ankunft auch verändert. Wenn er zu seinen Mahlzeiten ins Haus kam, wartete sie immer schon auf ihn, von einem Streich, den sie ihm spielen wollte, aufgeblasen wie ein Ochsenfrosch, mit blitzenden Augen und rot im Gesicht. Sie tat ungekochte weiße Bohnen in seine Suppe, hart wie Kieselsteine, und wartete ab, ob er sie seiner guten Manieren wegen aufessen würde. Sie klebte etwas, das wie eine Fliege aussah, an den Grund seines

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