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Tanz des Verlangens

Tanz des Verlangens

Titel: Tanz des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kresley Cole
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Notizen, die er sich auf der Suche nach seinen Brüdern gemacht hatte. Mit seiner verbliebenen Hand blätterte er sie durch. Genauso wenig, wie diese Hütte Conrad noch gerecht wurde, passten diese Schriftstücke zu ihm.
    Er hatte die drei durch die ganze Welt verfolgt, den ganzen Weg von Mount Oblak in Russland bis nach Louisiana. Aber die Kritzeleien ergaben für ihn keinerlei Sinn mehr. Denn er war ein anderer geworden. Alles, was Conrad diesen Seiten noch entnehmen konnte, war das alles verschlingende Verlangen nach Rache.
    Selbst das war erloschen.
    Er legte sich auf die Matratze, wartete aber stundenlang vergeblich auf Schlaf. Während seine Hand sich zu regenerieren begann, erschienen grellrote Streifen auf seinem Arm – der Schmerz war kaum auszuhalten.
    Er hatte sich die Hand für sie abgehackt. Für sie beide. Er war so stolz gewesen, den Schmerz zu ertragen. Seinem Ziel einen Schritt näher zu kommen: einen Weg zu finden, wie sie zusammen sein könnten.
    Sie hat dich hintergangen, dir mutwillig eines der Spielzeuge vorenthalten, die sie erbeutet hatte. Wie kam es bloß, dass jeder, um den er sich auch nur ein wenig scherte, ihm am Ende in den Rücken fiel?
    Sie hatte ihn zum Narren gehalten, ihn von der Jagd abgelenkt. Er war durch ihr Mausoleum getorkelt, trunken von ihr, selbstgefällig. Noch ihre kleinste Bewegung hatte ihn derart verzaubert, dass er nicht in der Lage gewesen war zu sehen, was tatsächlich vor sich ging.
    Langsam schleppten sich die Stunden dahin, bis er endlich in einen ohnmachtsähnlichen Schlaf fiel.
    Irgendwann in der Nacht wachte er mit einem Schrei auf. Er hielt sich den Arm, sein ganzer Körper war von Schweiß bedeckt. Er hatte Néomi gesehen, die vor Entsetzen schrie, gefangen in einer Dunkelheit, in der er sie nicht zu erreichen vermochte. Sie war nicht bei ihm, wie sie es immer gewesen war.
    „ Schsch, mon coeur …“ Mit diesen Worten hatte sie ihn beruhigt. „Auf Wiedersehen, Vampir“, hatte sie letzte Nacht gesagt.
    Er zog die Augenbrauen zusammen. Hör endlich auf, an sie zu denken!
    Sie hatte ihn beruhigt, ihn mit Lachen umgeben. Sie hatte ihn dazu gebracht, seinen blinden Hass zu überdenken. Du wirst sie niemals wiedersehen. Wenn jemand erst einmal sein Vertrauen verloren hatte, erlangte er es niemals zurück.
    Er war von sich selbst angeekelt. Selbst nach ihrem Vertrauensbruch vermisste er ihre Gegenwart mehr als seine Hand.
    Die Stille in ihrem Haus durchdrang Néomi wie feuchte Kälte, bis sie glaubte, den Verstand zu verlieren.
    Sie hatte gewusst, dass es so kommen würde.
    Während der letzten drei Tage war sie ziellos durch die Gänge geirrt, ein einsamer, verzweifelnder Geist voller Reue. Und die ganze Zeit fragte sie sich, wohin Conrad gegangen war, wo in aller Welt er sich in diesem Augenblick befand. War er in Sicherheit? Heilte sein Arm? Trank er aus einem Glas – oder direkt von seinen Opfern?
    Ob er wohl an mich denkt?
    Sie hatte nicht gewusst, dass es möglich war, jemanden so sehr zu vermissen.
    Er würde niemals wiederkommen, und sie konnte nichts tun als … warten. Darauf warten, dass die Jahre vergingen, darauf hoffen, dass jemand kam, irgendjemand.
    Néomi war hilflos, unfähig, ihren eigenen Kummer zu lindern. Sie war wirklich mitleiderregend, so wie er es ihr in jener Nacht vorgeworfen hatte.
    Mit einem Seufzen verließ sie das Haus und begab sich hinaus in den Nieselregen, entschlossen, sich die Zeitung zu holen. Da sie die Exemplare, die sie sammelte, schon längst gelesen hatte, sehnte sie sich nach etwas, das ihre Gedanken ablenken würde.
    Einen anderen Ausweg hatte sie nicht. Sie konnte ihr Herz nicht einer guten Freundin ausschütten oder einen Tapetenwechsel vornehmen. Sie konnte sich nicht betrinken. Es gab weder eine Fernsehsendung noch ein gutes Buch, die sie hätten ablenken können.
    An der Grundstücksgrenze angekommen, zerschlugen sich ihre Hoffnungen. Sie weinte bittere Tränen um die Zeitung, die sich weit außerhalb ihrer Reichweite befand.
    Hier bin ich nun mitten in der Einfahrt und weine wegen einer Zeitung. Das war der absolute Tiefpunkt ihres Lebens nach dem Tode. Sie war tatsächlich so schwach und mitleiderregend, wie Conrad sie im Wahnsinn genannt hatte.
    Als Nächstes würde sie wohl noch anfangen „ Buuhuhuu !“ zu stöhnen.
    Zum Teufel damit. Sie würde nicht Trübsal blasen wie ein … ein verdammter Geist!
    Ihre Trauer verwandelte sich in Wut. Sie dachte gar nicht daran, sich für das, was sie getan hatte,

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