Tanz im Feuer
wieder. EineWeile beobachteten sie beide liebevoll das emsig saugende und lautstark schmatzende Baby. Doch als Leigh Chad schließlich in die Augen sah, schaute er nicht mehr das Kind an, sondern sie. Und sein Blick brachte Leigh augenblicklich zumVerstummen.
»Mutter zu sein steht Ihnen gut, Leigh«, bemerkte er leise und mit seltsam rauer Stimme. »Mit Ihren kastanienbraunen Locken, den blaugrauen Augen, die einen an Gewitterwolken denken lassen, diesem Mund, der so weich und zart scheint wie der von Ihrem Kind – und vor allem Ihrem Blick, wenn Sie Ihr Kind anschauen –, erinnern Sie mich an eine Madonna auf einem italienischen Gemälde des fünfzehnten Jahrhunderts. Nur dass Sie echt sind.« Unverwandt schaute er sie an, als wollte er sich ihr Gesicht für alle Zeiten einprägen.
Leigh erwiderte seinen Blick und musterte ihn genauso eindringlich.Wie hatte sie sich vor diesem sensiblen, einfühlsamen Mann nur fürchten können? Zuerst hatte sie nur seine schmutzigen Kleider und sein verschwitztes, bartstoppliges Gesicht gesehen. Jetzt dagegen sah sie vor allem, wie gütig und freundlich seine Augen leuchteten. Seine Hände waren von Schwielen überzogen, aber sie kamen ihr sicher und stark und zärtlich zugleich vor. Plötzlich musste sie daran denken, dass er sie mit diesen rauen, liebevollen Händen berührt hatte. Beschämt senkte sie die dunklenWimpern wie einen schützendenVorhang vor ihre Augen.
Während sie ihrerTochter beimTrinken zuschaute, sah sie, wie sich Chads Hand langsam auf das Baby zubewegte. Unwillkürlich hielt sie den Atem an. Sein langer, gerader Zeigefinger berührte ihreTochter an derWange und streichelte sie. Leigh glaubte beinahe, die Liebkosung an ihrer Brust zu spüren.
»Wie soll sie heißen?« Seine Stimme war immer noch tief und warmherzig, aber nicht mehr ganz so rau wie noch vor wenigen Sekunden.
»Sarah«, antwortete sie, ohne zu zögern.
»Ein schöner Name.« Zärtlich fuhr er mit der Fingerspitze über dieWange der Kleinen.
»Wirklich?«, fragte sie und sah ihn an. »So hieß meine Schwiegermutter.«
Seine Hand zuckte zurück, als hätte er sich verbrannt. »Ich dachte, Sie wären nicht verheiratet.« Leigh versuchte aus seinem Blick zu lesen, was er jetzt dachte, aber plötzlich war seine Miene undurchdringlich, so als hätte er sich vor ihr verschlossen.
»Das bin ich auch nicht. Nicht mehr. Mein Mann ist umgekommen.«
Er sah sie kurz an, dann drehte er sich nach vorn. Eine volle Minute lang starrte er durch dieWindschutzscheibe in die untergehende Sonne, die als riesiger roter Ball über dem Highway hing. EinWagen kam vom Horizont her auf sie zu, wurde langsam größer und fuhr dann laut hupend an ihnen vorbei. »Mein Beileid«, sagte Chad schließlich. »Ist das schon lange her?«
»Acht Monate. Er wusste nicht einmal, dass ich schwanger war. Er war bei der Drogenfahndung und wurde bei einem Einsatz erschossen.« Leigh sprach nicht gern über denTod ihres Mannes. Die Erinnerung daran tat ihr zu weh. Doch sie glaubte, Chad wenigstens eine knappe Erklärung schuldig zu sein.
Chad zischte einen kaum hörbaren Fluch, drehte sich wieder zu ihr um und schaute auf das Baby. Die Kleine schlief, nuckelte nur ab und zu mit ihrem R osenknospenmund an Leighs Brustwarze. Leighs Brust begann zu prickeln, als sie seinen Blick darauf bemerkte. Sie spürte, dass sie schon wieder rot wurde. »Ich glaube, Sie sind beide etwas ganz Besonderes«, murmelte Chad. Dann legte er den Gang ein und fuhr los.
Offenbar war Leigh kurz darauf eingenickt. Das Nächste, was sie mitbekam, war, dass Chad zur Notaufnahme des Krankenhauses einbog. Sie brauchte ein paar Sekunden, ehe sie den gepflegten Rasen vor dem weißen Bau, die Büsche, hinter denen die Eingangstür verborgen lag, und den Parkplatz neben dem Haus wiedererkannte. Chad hupte ausdauernd, während er das Auto die betonierte Auffahrt hinauflenkte, hielt dann denWagen unter demVordach an und stellte den Motor ab. Dann drehte er sich zu Leigh um und hob vorsichtig das Kind hoch. »Sie sollten sich jetzt besser wieder anziehen«, bemerkte er. Hastig und noch halb verschlafen knotete sie den Schulterträger wieder fest. Sarah war ebenfalls aufgewacht und begann wieder zu zappeln. Chad lächelte das Baby an und reichte Leigh die Kleine wieder. »Warten Sie hier«, befahl er knapp.
Nun lernte sie einen ganz anderen Chad kennen.Wie ein General kommandierte er die Pfleger und Schwestern, die, von seinem Hupen aufgeschreckt, aus dem Bau
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