Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)
hingebracht hat.«
Wir starrten uns schweigend an. Es fühlte sich so surreal an. Wir standen mitten in einem Schlachtfeld, um uns tobte ein Krieg, und ich führte eine Konversation mit meinem Feind, meinem Anführer.
»Der Herzensbaum liegt weiter nördlich.« Er zeigte hinter sich. »Du wirst die Aura spüren, bevor du ihn siehst.«
Mit offenem Mund sah ich ihn an.
»Geh. Ich kann dir nicht sagen, wie du ihn befreien kannst, aber … versuch es. Vergiss die Aktivierung. Ich bin, wer ich bin, ich hatte keine Wahl. Das ist nun mein Leben. Es war, ist, mein Schicksal, weil ich der Royal bin. Du kannst eine Entscheidung treffen.« Er lachte trocken. »Also, eigentlich kannst du das nicht, aber du würdest es so oder so tun, nicht?«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, konnte nur nicken. Er lächelte und seine Augen verhärteten sich.
»Geh!«
Ich drehte mich um und wollte gerade lossprinten, als ich mich nochmals umdrehte.
»Wieso?« Ich musste es einfach wissen.
»Du liebst ihn.« Ich wollte heftig protestieren, doch dann beschloss ich, es zu lassen. Ich musste ihm nichts beweisen. Stattdessen kräuselte ich die Lippen, versuchte zu lächeln und drehte mich um. Ich bekam gerade noch mit, wie er sich seufzend zu einem der Vampire umdrehte, doch ich verharrte keine Sekunde länger, um herauszufinden, was er ihm sagte. Ich rannte los, duckte mich hier und da, um mich zu schützen. Plötzlich begann meine vorsichtig aufgebaute Fassade zu bröckeln. Die Menschlichkeit überkam mich, und alles stürzte wieder auf mich ein. Die Leichen, die Soldaten, die Vampire. Ich hielt es kaum mehr aus und versuchte, mich so wenig wie möglich umzusehen. Mein Magen drehte sich um, als ich über den leblosen Körper eines Soldaten stolperte. Ich fiel der Länge nach hin.
»Uf!« Die Luft wurde mir aus den Lungen gepresst. Japsend rappelte ich mich auf und sah dabei dem gefallenen Krieger ins Gesicht. Fehler. Es war ein Elf, er hatte beim Schlachtenmahl in meiner Nähe gesessen. Echrodrion hiess er. Er hatte mir von seiner Familie erzählt, seinem neugeborenen Sohn und seiner Frau. Eine Familie, die nun zerstört war und wahrscheinlich noch nichts davon wusste.
Ein Kloss formte sich in meinem Hals. Ich musste hier weg und zwar schnell. Alles schien lauter und klarer, als wollten alle Kämpfenden mich um den Verstand bringen. Meine Sinne waren geschärft, aber meine Instinkte wurden getrübt von einem einzigen Bild: Calvins Gesicht, verzogen im Schmerz um seinen Sohn. Er hoffte, ich könnte ihn retten, aber er glaubte es nicht.
Es war Krieg, es war gefährlich, ich passte nicht auf und ich war ein Vampir. Die Umstände waren gegeben, daher war es eigentlich nicht überraschend, dass ich einen Schmerz an meiner rechten Schulter verspürte. Schmerz war ein wenig untertrieben. Es fühlte sich an, als ob mein Arm abgerissen würde. Ich kreischte und wirbelte herum. Hinter mir stand ein Soldat in voller Rüstung. Sein Gesicht war blutverschmiert, und er hielt ein Schwert in der Hand. Er funkelte mich an, während ich vor Schmerz taumelte. Ich presste die Finger auf die schmerzende Stelle und bemerkte überrascht, wie ungewöhnlich dunkles Blut zwischen meinen Fingern hervorquoll.
Neben mir lag ein blutverschmierter Dolch. Ich bückte mich, um ihn aufzuheben. Ich wollte ihn nicht töten, aber ich wusste, dass ich keine Wahl hatte: einer von uns würde sterben. So wie alles um mich herum schwankte, hätte ich auf
mein
Grab gewettet. Der Ärmel meines Kleides war zerfetzt und blutdurchtränkt.
Ich wollte den Dolch in meine linke Hand nehmen, doch sie war nass vor Blut. Ich wischte sie am Stoff meines Kleides ab und versuchte es noch einmal. Eine vor Schweiss triefende Haarsträhne hing mir ins Gesicht und ich wischte sie mit dem linken Arm weg; mein rechter Arm war bewegungsunfähig.
Ich erhaschte einen Blick auf mein Gesicht, das sich in der Klinge spiegelte. Es war schmutzig, voller Blut und blass. Das Erschreckendste aber waren die Augen, dunkle Löcher in meinem Gesicht. Sie glänzten auf eine so unheimliche Art, dass ich gerne vor mir selber zurückgewichen wäre. Sie hatten etwas Erschreckendes. Es waren nicht die Augen eines Teenagers, der einen Freund retten wollte, der seinen Vater vermisste und um seine Mutter trauerte und nichtsdestotrotz ziemlich oft lachte. Es waren die Augen eines blutrünstigen Monsters, bereit, jeden zu töten.
Wollte ich das? Wollte ich wirklich gegen diesen Mann kämpfen, um mein Leben zu
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