Taqwacore
malaiischen Haschaschin mit seinem Iro in einem schwarzen Operation-Ivy-Kapuzenpulli mit Reißverschluss, auf dessen Rückseite ein Bild des gesichtslosen Ska-Man prangte. Ich sah mir die Figur an, eigentlich war es nur ein Umriss, die eckige Silhouette eines Mannes mit Hut vor einem Vollmond, der gerade von irgendeinem Dach sprang, vielleicht um sich auf irgendwelche Übeltäter zu stürzen. Dann kam es mir plötzlich komisch vor, wie ich da stand und mir einen Cartoon auf dem Sweatshirt meines Freundes ansah, vor allem, weil Fasiq nicht bemerkte, dass ich da war. Ich ließ ihn mit seinem Koran alleine, obwohl ich vielleicht besser dageblieben wäre, falls er aufgrund chemischer Beeinträchtigungen vom Dach fallen würde. Astaghfirullah.
Ich ging zurück zu Dawuds Zimmer, öffnete die Tür und stand verlegen da, während ich zusah, wie sie rauchten und lachten.
»Alhamdulillah«, sagte Jehangir, als er sich mit roten Augen zurücklehnte. »Alhamdulillahi rabbil’alamin, yeah, yeah, ar-rahmani rahim, maliki yaumi din! Yusef, ich bin nur eine arme unschuldige Seele, das ist alles. Und vielleicht bin ich nur deshalb eine arme unschuldige Seele, weil mein Abu abgehauen ist, als ich sieben war, und mich unter Frauen zurückließ, die immer nur wollten, dass ich glücklich bin und denen es ansonsten total egal war, was aus mir wird. Hast du je darüber nachgedacht?«
»Nein«, antwortete ich und fragte mich, ob das irgendwas damit zu tun haben konnte, dass meine Eltern mir nahegelegt hatten, Ingenieurswissenschaften zu studieren. »Darüber habe ich nie nachgedacht, Yakhi.«
»Fuck«, sagte er und setzte sich auf, den Blick ins Nirgendwo gerichtet, sein Mund stand lange offen, nachdem er das Wort gesagt hatte. »Ich auch nicht.«
Ich ging mit meiner ewigen Enthaltsamkeit nicht so militant um wie Umar; ich konnte mich auch nie mit seiner Straight-Edge-Szene identifizieren, hauptsächlich, weil mir die Musik nicht gefiel. Straight-Edge-Bands sind einfach nur krass und laut; ich mag es lieber melodisch und finde, die Texte sollten zumindest irgendwie verständlich sein. Es gab aber auch Zeiten, in denen ich nichts dagegen hatte, dass andere mich in die Straight-Edge-Schublade steckten, weil dieses Etikett mir eine gewisse Coolness verlieh; ansonsten wäre ich nur ein Typ gewesen, der nicht trank, nicht rauchte und keinen Sex hatte. Deshalb habe ich mir auch auf einer von Jehangirs Partys mit Edding ein X auf beide Hände gemalt und mir von dem Typen, der gerade am CD -Player stand, Minor Threat gewünscht.
Seltsamerweise sagten zwar viele Punks: »Oh, du bist Straight Edge«, wenn ich Gras oder Bier ablehnte, doch fast genauso viele fanden, ich wäre genauso wenig Edge wie Fasiq Abasa. Als die Bewegung sich weiterentwickelte, gab es eine ganze Bandbreite von Interpretationen und Kriterien, was genau Straight Edge eigentlich bedeutete. Einige Hardliner trieben es mit der »giftfreien« Ideologie so weit, dass ich ihrer Meinung nach nicht Straight Edge sein konnte, wenn ich Tylenol gegen Kopfschmerzen nahm. Bei vielen Straight-Edge-Anhängern steht der Konsum von Fleisch auf der Tabuliste, manche sind komplette Veganer.
Man sollte auch anmerken, dass Ian MacKaye, der ehemalige Sänger von Minor Threat, der als Gründervater und Schutzheiliger der Straight-Edge-Kultur gilt, sich selber nicht als Straight Edge bezeichnet oder sich mit der Bewegung identifiziert – obwohl er weder Alkohol noch Drogen oder Fleisch konsumiert. Das Ganze ist zu etwas hochgespielt worden, das weit entfernt ist von dem, was er damals im Jahr 1981 mit seinem simplen Song vermitteln wollte.
Jehangir hat mir erzählt, dass viele der Taqwacore-Bands aus Kalifornien Straight Edge sind und dass unter ihnen eine einzigartige Szene entstanden ist, ein Amalgam aus Straight-Edge-Kultur und islamischen Bräuchen – wahrscheinlich das dortige Äquivalent zu unserem Umar, der seine eigene Islamo-Punk-Identität entwickelt hat, ohne jemals irgendetwas von den Taqwacores draußen im Westen gehört zu haben. Mit den zwei X auf den Händen und der 2:219 an seinem Hals – Straight Edge bot Umar nicht bloß einen weiteren Grund für seine muslimische Enthaltsamkeit, sondern ermöglichte ihm auch die heroische, toughe Pose, nach der es ihn persönlich so sehr verlangte.
Als er nach Hause kam, war ich in der Küche und wartete darauf, dass mein Tee abkühlte.
»Blas nicht drauf«, sagte er streng.
»Wie?«
»Blas nicht drauf. Das entspricht nicht der
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