Taqwacore
in meiner Kindheit fast jedes Zeichentrickvideo von Disney kaufte, aber dann sagte, dass das Zeichnen von Lebewesen für mich haram sei. Fasiq Abasa hatte es gerne laut und schnell, in der Richtung von NOFX oder den Descendents, und er hatte sogar eine CD , auf der 100 Songs waren, jeder etwa 30 Sekunden lang. Amazing Ayyub stand vor allem auf Sham 69. Rabeya brachte die politischen Bands wie Propaghandi ein, oder Riot-Grrl-Sachen wie die Lunachicks. Ich kannte die Vorlieben aller gut genug, um mitzumachen und Songs vorzuschlagen.
Die unterschiedlichen Geschmäcker führten oft zu Streit. Als jamaikanischer Fundamentalist hasste Rude Dawud den kommerziellen amerikanischen Punk-Ska der zweiten Generation. Ayyub fand Fasiqs Auffassung von Punk verfehlt, weil es keinen Punk mehr gab, für ihn war er seit 1980 gestorben. Umar ärgerte sich und schmollte aus mehreren Gründen, wenn Jehangir einen Song wie »Guinness Boys« von Business spielte. Rabeya wiederum fand ungefähr die Hälfte der Punkrock-Songs, die die anderen spielten, frauenfeindlich und patriarchalisch.
Manchmal inspirierten diese Dispute über Musik theologische Debatten. Amazing Ayyub war für Punk und verlangte, dass » I Wanna Be Your Dog« aufgelegt wurde, und Fasiq sagte, der Song würde ihn Sufi-mäßig total umhauen, weil er gelesen hatte, dass der Hund ein Symbol für die Nafs war, und dass er ein Buch von Javad Nurbaksh über den Nimatullahi-Sufi-Orden hatte, in dem das alles erklärt wurde.
»Es ist praktisch Iggys Du’a«, rief Fasiq aus. »Verdammt, er redet mit Allah, versteht ihr? Er will Allahs Hund sein. Er ist ein Punk-Rumi.«
»Du bist doch voll breit«, entgegnete Amazing Ayyub. Ich stimmte zu und die Diskussion endete hier. Fasiq fragte, ob er die CD leihen könne, suchte nach seinen Kopfhörern und verschwand für diese Nacht.
Jehangir umarmte jeden und streckte eine braune Glasflasche in die Luft. Umar stand ungerührt mit verschränkten Armen in der Ecke. Er hätte auch in seinem Zimmer schmollen können oder woanders hingehen können, aber ich glaube, er genoss seine Rolle als der Straight-Edge-Typ. Das wurde geradezu sein Ding , dazustehen in seinem weißen Unterhemd, mit seinem einschüchternden Blick und den ganzen Tattoos. Die Leute erwarteten, dass er da war und grimmig aufpasste.
Es schien so, als wären Jehangir und Umar zwei gegensätzliche Pole, jeder hoffte, die kollektive Psyche mit ganz speziellen Methoden auf seine Seite zu ziehen. Während Umar es mit seiner kompromisslosen Haltung versuchte, verliebte sich der betrunkene Jehangir in die ganze Welt. Jeder Typ war sein bester Freund, jedes Mädchen seine kleine Schwester, und er würde bis zu seinem letzten Atemzug für uns kämpfen. Eine unstillbare, aber unwiderstehliche Sehnsucht bewegte ihn. Manchmal zog er sich an den Rand des Geschehens zurück und beobachtete, wie sich überall im Haus zufällige Gruppen bildeten: um sich zu unterhalten, einander vorzustellen, zu debattieren und Geschichten zu erzählen – all diese Typen, die aus ihren eigenen Filmen hier hereingestolpert waren, Filme, die sie nach Buffalo gebracht hatten oder die schon die ganze Zeit in Buffalo spielten, die sie aber zumindest jetzt in sein Haus und auf seine Party geführt hatten. Sie waren alle hier zusammengekommen, es war ein buntes Durcheinander von Lebensläufen, Kulturen und Ansichten, eine Kombination von Leuten, die so auf dieser Erde nie wieder zusammenkommen würden, und vielleicht würden diese zufälligen Begegnungen irgendjemandem etwas bringen, vielleicht aber auch nicht, Alhamdulillah , wie dem auch sei, und ich sah kurz zu Jehangir rüber, der sich gerade wieder etwas zurückgezogen hatte, und er nickte mir zu, als wolle er andeuten, dass ich der Einzige sei, der diesen Moment genauso empfand wie er.
Als der Abend fortgeschritten und er schon völlig neben der Spur war, kam Jehangir rüber und legte mir den Arm um die Schulter.
»Wo ist Imam Fasiq?«, fragte er.
»Irgendwo da draußen«, antwortete ich und deutete mit dem Kopf in Richtung Tür, »mit seinen Kopfhörern, dem CD -Player und › I Wanna Be Your Dog‹ auf Repeat.«
»Ach, echt?«
»Er versteht es als Ausdruck von irgendeinem Sufi-Konzept über die Nafs.«
»Ja! Scheiße!« rief Jehangir und schlug mir auf den Rücken. »Mach dein Herz zu einem glänzenden Spiegel, ging das so … ich kenn mich aus, stimmt’s? Ich wollte dem Imam gerade zu seinem vollen Haus gratulieren, man hat ja nicht mal mehr
Weitere Kostenlose Bücher