Taqwacore
kotzt mich an.«
»Das verstehe ich«, sagte ich.
»Mann, wenn die uns angehalten hätten mit dem Gras in meinem Pick-up? Das wär’s gewesen. Ich wäre auch dafür verhaftet worden. Es würde in meiner Akte stehen. Ich hätte dann was mit Drogen in meiner scheiß Akte. Ganz toll.«
»Fasiq denkt, Dope wäre halal«, sagte ich, ohne auf irgendetwas hinauszuwollen.
»Ja, der kleine Haschaschin«, entgegnete Umar. »Das liegt an all diesen Typen, die der Ska-König hier anschleppt. Er denkt auch, es gäbe irgendeine beschissene spirituelle Grundlage dafür.«
»Na ja«, sagte ich, obwohl ich eigentlich keine echte Meinung dazu hatte, »er sagt, der Koran würde nur Alkohol verbieten.«
»Das ist totaler Blödsinn«, schnappte Umar zurück. »Totaler Blödsinn. 5:90, Mann! Der Scheiß ist genauso Chamr wie alles andere auch.« Umar schien die arabischen Begriffe immer mit einem gewissen Nachdruck auszusprechen. Mir dämmerte, wie lächerlich wir aussehen mussten, ich hatte mich halb aus dem Sessel erhoben und Umar stürmte den Bürgersteig vor unserem Haus auf- und ab. »2:219«, fügte er sicherheitshalber noch hinzu und schlug sich an den tätowierten Hals, sodass ich zusammenzuckte. »Ist Dawud überhaupt noch Muslim?«
»Natürlich ist er das.«
»Maschallah«, sagte er mit übertriebener Erleichterung.
»Ist Jehangir auch dabei?«, fragte ich.
»Weiß nicht. Ich glaube nicht.« Umar sah mich fragend an, als ob ihn meine Frage verwirrte oder sogar ärgerte. Manchmal verfiel ich Jehangir Tabari gegenüber in eine Form von kindischer Heldenverehrung; und obwohl ich wusste, dass er kein Straight Edger war, gab es mir ein seltsam gutes Gefühl, dass er gelegentlich abstinent blieb.
»Ich muss hier raus, Yakhi. Wir sehen uns später.« Als er zu seinem Pick-up zurückging, drehte Umar sich um und fügte noch ein »Inschallah« hinzu, als wäre es ihm erst nachträglich eingefallen.
* Siehe Glossar im Anhang.
Kapitel II
Jehangir Tabari war in Kalifornien gewesen und sprach oft über die dortige Muslim-Punk-Szene – er nannte sie »Taqwacore« und zeigte uns diverse Aufnäher auf seiner nietenbesetzten Lederjacke und seinen rotkarierten DogPile-Hosen, während er uns Geschichten über die Bands erzählte. Taqwacore-Bands gab es in allen Farben und Formen, was Einstellung und Ideologie betrifft; es gab Bands wie die Bin Qarmats und die Zaqqums, deren Texte und Benehmen irgendwo zwischen sozialem Protest und jugendlicher Respektlosigkeit angesiedelt waren, aber auch Bands wie Bilal’s Boulder, die noch nicht mal zuließen, dass Mädchen zu ihren Konzerten kamen. Manche Bands waren politisch ausgerichtet und andere wieder gingen mehr in Richtung abgehobener Sufi-Tradition. Jehangir schien auf alle gleichermaßen stolz zu sein, als könne ihn nichts auf der Welt dazu bewegen, sich geistig festzulegen.
»Du hättest das sehen sollen, Yakhi«, sagte er zu mir, als wir auf dem Heck seines parkenden Autos saßen und auf Fasiq warteten, der Blättchen kaufen gegangen war. »Ich war bei dieser krassen Show von den Mutawweens in Sacramento und …«
»Von wem?«, fragte ich.
»Die Mutawweens«, wiederholte er und deutete auf einen Aufkleber auf dem Auto. »Total geile Band, ich habe eine von ihren Platten hier, die musst du dir mal anhören. Egal, ich bin also bei diesem Mutawween-Konzert und stehe ganz vorne an der Bühne, werde rumgeschubst und so weiter, da hört die Musik einfach auf – zack, einfach so, und wir hören auf, uns gegenseitig anzurempeln, alles bleibt stehen und du hörst nur noch den Sänger da oben, wie er die ar-Rahman spricht, so schön, wie ich es noch nie gehört habe, und er zieht es durch – die ganze Sure, Fabi’ayyi ala’i rabbikuma tukuddhibani und so weiter, und die toughen Punks da unten stehen einfach da und hören zu, und als er fertig ist, hat die Hälfte von uns Tränen in den Augen, Bruder.«
»Maschallah«, sage ich ernst.
»Ja, Yakhi. Das sind ganz erstaunliche Leute da draußen.« Ich saß auf dem Kofferraum seines Autos und sah mir all die Aufkleber an, manche der Bandnamen hatte ich noch nie gehört. Jehangir hatte mittlerweile New Yorker Nummernschilder an seinem Auto, aber die Aufkleber erzählten noch immer von seiner Reise; er war wirklich da draußen gewesen, im Westen ; er hatte am Rand des Kontinents gestanden und die Zukunft des amerikanischen Islams in sich aufgesogen, und dann war er gekommen, um uns die gute Nachricht zu
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