Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
das Irrlicht träge einen schlanken Arm und rieb sich damit übers winzige Gesicht. »Igitt«, war ihr erstes Wort. »Ich bin ja klatschnass.«
Tarean entließ mit einem Keuchen die Luft aus seinen Lungen. Ein Strahlen breitete sich auf seinem Gesicht aus, das mit der zunehmenden Lichtaura des magischen Geschöpfs zu wetteifern schien, und er schrie begeistert: »Moosbeere! Du lebst!«
Sie öffnete die Augen, richtete sich auf und schüttelte ihre tränenfeuchten Flügel aus. »Ja natürlich lebe ich. Hast du etwas anderes gedacht?«, erkundigte sie sich erstaunt.
»Was für eine Frage!«, rief er und musste sich zusammenreißen, um das Irrlicht nicht vor Freude zu zerquetschen. »Du bist mitten in den Blitz des Hexers geflogen. Wir alle dachten, du wärest tot.«
Moosbeere machte große Augen. Dann strich sie mit dem Finger über ihren feuchten Oberarm und leckte ihn ab. Als sie das salzige Nass schmeckte, wurden ihre Züge weich und sie seufzte schmachtend. »Du hast um mich getrauert … Du bist sooo süß!«
Der Junge spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Er zog die Nase hoch und brummte: »Und du bist so blöd, Moosbeere.«
Das Irrlicht kicherte.
Die Schlacht um At Arthanoc war geschlagen.
Doch was für einen Preis hatten sie für den Sieg bezahlt. Karnodrim war gefallen. Ebenso waghalsig wie tapfer hatte der mürrische Sette den Glutlanddrachen zum Zweikampf gefordert und am Ende gemeinsam mit der Bestie den Tod gefunden. Wilfert war gefallen. Bis zuletzt hatte er standhaft an der Seite von Hochkönig Jeorhel ausgeharrt, doch als sich das Schlachtenglück mit dem Eintreffen der Taijirin schon zu wenden schien, schlug ihm die Axt eines Grawl-Kriegers eine tiefe Wunde, und auch rasch herbeigeholte Hilfe hatte sein Leben nicht zu retten vermocht. Nirwin war gefallen. Ein schwarz gefiederter Pfeil hatte den Hauptmann der Garde und Feldherrn der Vogelmenschen aus dem Sattel seines Greifen geholt, und obwohl er sich auch am Boden noch verbissen seiner Haut erwehrt hatte, war er ein Opfer des letzten zornigen Aufbäumens der Wolflinge geworden. Und die Zahl der toten Alben, Menschen und Taijirin, deren Namen Tarean nicht kannte und deren Leichname das Schlachtfeld vor den Toren der Burg übersäten, musste in die Tausenden gehen.
Sah man davon ab, dass sie Übrigen überlebt hatten, war die einzig wirklich gute Nachricht, dass Bromm sehr wahrscheinlich durchkommen würde. Kilrien, das heilende Amulett, lag auf der breiten Brust des Werbären, und er schien aus der Bewusstlosigkeit an der Schwelle zum Tode in einen tiefen Heilschlaf hinübergeglitten zu sein. Auril, Kiesel und Iegi, der zu ihnen gestoßen war und Kunde vom Ende der Schlacht und ihren Opfern gebracht hatte, saßen bei ihm und warteten auf helfende Hände, um den Verwundeten ins Feldlager tragen zu können.
Tarean lehnte derweil an einem halb zertrümmerten Fensterrahmen und blickte gedankenverloren auf die Welt zu seinen Füßen. Die Greifenreiter segelten durch die Lüfte über dem Schlachtfeld und trieben die Rotten der überlebenden Grawls zurück gen Osten, und an vielen Stellen der Burg hoben Trupps aus Menschen und Alben die Widerstandsnester der letzten Getreuen des Hexenmeisters aus. Noch war das Töten nicht gänzlich vorbei, aber es war sicher nur noch eine Frage der Zeit. Für ihn jedenfalls war die Schlacht um At Arthanoc geschlagen. Jetzt wartete eine halbe Welt darauf, befriedet zu werden. Keine leichte Aufgabe für den, der sie übernehmen musste.
Moosbeere hockte auf seiner rechten Schulter und summte leise vor sich hin. Das Irrlicht schien von seinem Zusammenprall mit der Magie des Hexers bereits vollständig genesen und verschwendete offenbar auch keinen weiteren Gedanken mehr an das Geschehene.
»Ich kann es kaum glauben, aber wir haben es geschafft«, murmelte Tarean.
»Ich habe doch gesagt, alles wird gut«, zwitscherte Moosbeere fröhlich. »Wann fängst du endlich an, auf mich zu hören?«
Gegen seinen Willen musste er lächeln. »Ja, damit sollte ich wohl wirklich langsam mal anfangen.«
»Ganz richtig.«
Er seufzte und beschloss, die trüben Gedanken für einen Moment beiseitezuschieben. Stattdessen verrenkte er sich den Hals, um dem Irrlicht den Kopf zuzuwenden. »Sag mal, Moosbeere«, stellte er eine Frage, die ihm schon seit Tagen durch den Kopf ging. »Kannst du groß werden?«
Einen Augenblick schien sie seinem Gedankensprung nicht folgen zu können. »Groß werden?«, echote sie dann mit
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