Tareks Versprechen
zuordnen. Aber er würde nicht noch einmal den gleichen Fehler machen wie vor dreißig Jahren und auf Grund einer einzigen Information sein Urteil fällen.
„Man kann die Zeit nicht zurückdrehen“, überlegte Hassan nachdenklich. „Aber man kann sich seine Vergangenheit vielleicht aus der Perspektive anderer ansehen. Dann müsste es möglich sein, das Bild, das man sich von sich selbst gemacht hat, schärfer zu sehen.“
Das war ein guter Anfang und Tarek hoffte, dass auch er und Zaara einen Anfang machen konnten. Nur würde er diesen Anfang gerne ohne Zuschauer gestalten. Und die Gelegenheit dazu ergab sich am Abend, als sie alleine in ihrem gemeinsamen Zelt waren, auf das Tarek bestanden hatte.
Tarek wusste nicht, ob er Zaara nicht zu viel zugemutet hatte, als er sie zwang, die jahrelangen Schläge zuzugeben. War er zu weit gegangen? Hatte er ihr Vertrauen in ihn schon damit zerstört?
Sie sah so verloren aus, wie sie darauf wartete, dass er ihr sagte, was sie als Nächstes tun sollte. Er hätte sie gerne in den Arm genommen, doch das hatte er an diesem Tag schon mehrmals und nicht einmal hatte er sie gefragt, ob sie das auch wollte. Er musste damit aufhören, Dinge ohne ihr Einverständnis zu tun. Er wollte kein Unsicherheitsfaktor für sie sein. Er wollte, dass sie alle seine Handlungen verstand und damit einverstanden war. Und die einfachste Methode das zu erreichen, war sie zu fragen, was sie wollte.
„Das war ein schwerer Tag für dich, Mädchen“, versuchte Tarek Zaaras Stimmung zu erfassen. Sie sagte nichts, sah ihn nur mit ihren großen Augen an. So als ob sie Angst davor hatte, etwas zu tun, womit er nicht einverstanden sein würde.
Sie hatte noch kein Vertrauen in ihn, das ihr sagte, dass sie alles tun oder sagen durfte, was sie wollte.
„Du brauchst dich nicht noch einmal mit irgendjemanden hier auseinandersetzen“, versprach er. Und weil auch dieses Versprechen ihr Schweigen nicht aufhob, versprach er ihr noch mehr.
„Du brauchst auch nie wieder mit meinem Vater reden. Ich verspreche dir…“
Was auch immer er versprechen wollte blieb unausgesprochen. Zaara hatte sich unvermittelt an seine Brust geworfen, schmiegte den Kopf an Tareks Brust und hielt seine Mitte umschlungen.
„Ich werde mich ganz unsichtbar machen, ich verspreche es“, wisperte Zaara. „Wirklich, du wirst mich nicht sehen. Aber bitte, bitte lass mich nicht hier zurück!“
Zum ersten Mal in ihrem Leben erbat sich Zaara etwas von einem anderen Menschen. Sie wusste, dass ihre Bitte mehr war, als ihr irgendjemand gewähren würde, aber sie musste es versuchen. Nur die Methode war wohl nicht ganz die richtige. Denn Tareks Körper erstarrte, kaum dass sie ihn berührt hatte.
Sie wollte die Umarmung beenden, wollte zu Tareks Füßen sinken, ihn um Verzeihung bitten. Aber dazu kam es nicht. In dem Augenblick, als sie die Umarmung lösen wollte, schlangen sich Tareks Arme um sie und drückten sie näher an seine Brust.
„Habe ich dir nicht schon einmal gesagt, dass du mir gehörst? Und ich gebe nicht so einfach etwas her, das mein ist“, erklärte Tarek über ihren Kopf hinweg.
„Darf ich dann bleiben, auch wenn du dir eine andere Frau nimmst?“, hoffte Zaara auf ein kleines bisschen mehr Güte, selbst wenn es dreist erscheinen sollte.
Tarek wich ein wenig zurück, ließ sie aber nicht los, hob nur ihr Kinn, dass sie ihm in die Augen sehen musste.
„Du wirst immer die erste und einzige Frau in meinem Herzen und in meinem Harem sein, Zaara. Und ich werde hart daran arbeiten, mir dein Vertrauen und deine Zuneigung zu verdienen.“
Dass dieses Versprechen Zaara zum Weinen brachte bestürzte Tarek. Sie war noch nicht so weit, sich seinen Gefühlen zu stellen. Um sie nicht weiter zu bedrängen, versuchte er sich von ihr zu lösen. Aber Zaara wollte ihn nicht loslassen.
„Nur noch einen kleinen Augenblick, dann werde ich dich nie wieder um etwas bitten.“
Tarek stutzte. Sie wollte , dass er sie festhielt? Wenn das so war, sollte er vielleicht seinerseits eine Forderung stellen.
„Ich könnte mich dazu überreden lassen. Aber dann musst du mir auch einen Gefallen tun.“
„Alles, versprochen“, murmelte Zaara gegen seine Brust.
„Ich denke, so eine Umarmung müsste einen Kuss wert sein“, sprach er und ließ Zaara keine Gelegenheit zurückzuweichen. Er drückte ihr sofort einen Kuss auf die Stirn.
Zaara schien überrascht, löste die Umarmung aber nicht. Dieses Mal küsste Tarek sie auf die Nasenspitze.
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