Tareks Versprechen
Zaara hätte widerfahren können, wenn er sie nicht rechtzeitig eingeholt hätten, war eine alptraumhafte Vorstellung. Er freute sich auch nicht darauf, sich erneut mit Scheich Hassan auseinandersetzen zu müssen.
Allah, wie er es hasste, von diesen alten Männern wie eine Schachfigur hin und her geschoben zu werden. Welche Vorschläge oder Angebote würde sich dieser Scheich ausdenken, um ihn für das büßen zu lassen, was er seinem Vater, Scheich Amir anlastete.
Die Möglichkeit bestand, sobald sie das Lager des Scheichs betraten. Und er hatte nur Diss und die Eskorte, wenn es hart auf hart kam. Scheich Hassan dagegen hatte seinen ganzen Clan hinter sich, der aus einer ganzen Anzahl Söhne bestand.
Doch was ihn am meisten beunruhigte war Zaaras Angst. Er hatte gesehen, was dieses Gefühl bei dem Mädchen anrichten konnte. Und dabei hatte er ihr noch nicht einmal etwas getan. Sie musste sich davor fürchten Scheich Hassan zu begegnen, von dem sie wusste, wie er war.
Was, wenn sie dem Druck durch ihre Familie nicht standhalten konnte? Was war, wenn sie sich von ihm wegziehen ließ? Konnte er das Risiko eingehen, sie jetzt noch zu verlieren?
„Tarek, bitte!“, drängte Diss.
„Ich will nicht, dass Zaara zwischen die Fronten gerät“, gab Tarek zu und nahm Zaaras Hand.
Diese Geste überraschte das Mädchen, mehr noch als die kurze Umarmung, mit der er sie getröstet hatte. Meinte er ernst, was er sagte? Sie bedeutete ihm etwas? Er wollte sie wirklich wieder mit nach Hause nehmen? Er wollte, dass sie nicht verletzt wurde?
Zaara betete, das es der Wahrheit entsprach, was er sagte. Betete darum, dass er sie wirklich nicht zurückwies. Und sie würde sich nur sicher sein können, wenn sie ihrer Familie gegenüber traten, und er sie immer noch bei sich behielt. Sie musste es wissen, denn die Furcht davor, dass er sie nicht wirklich wollte, würde sie zerstören.
„Es macht mir nichts aus, wenn wir den Stamm der El Zandara aufsuchen“, erklärte Zaara schüchtern. Eigentlich hatte sie noch sagen wollen, bevor wir nach Hause gehen , aber sie wollte ihr Glück nicht überstrapazieren. Dass Tarek ihre Hand hielt gab ihr Hoffnung, dass er sie nicht zurücklassen würde.
Diss schien erleichtert. „Da siehst du es, Zaara hat zugestimmt. Außerdem werde ich so kurz vor meinem Ziel nicht einfach aufgeben.“
Tarek war sich nicht sicher, ob das wirklich eine gute Entscheidung war. Aber er hatte nicht vor, sich dieses Mal von Scheich Hassan als Spielball benutzen zu lassen. Er wusste mittlerweile was er wollte, oder besser gesagt, wen er wollte.
„Du wirst keinen Schritt von meiner Seite weichen!“, befahl Tarek, ließ Zaaras Hand los und legte ihr seine beiden Hände auf die Schultern. „Hörst du, du wirst dort nicht alleine irgendwo hingehen!“
Diss reichte das als Zustimmung. Er war der Erste, der sein Pferd in die Richtung lenkte, in der Hassans Lager schon zu sehen war. Die Eskorte schloss sich ihm an, da es ihnen klüger erschien, nicht auf einen eindeutigen Befehl Tareks zu warten.
Auch Zaara wollte ihr Reittier wieder besteigen, aber Tarek ließ sie nicht los. Er drückte sie erneut an sich und wenn nicht beide ihre Gesichter verhüllt hätten, hätte Tarek das Mädchen jetzt geküsst. Aber das wäre nicht richtig, das wusste Tarek nur zu gut. Er musste sich ihr Vertrauen und ihre Zuneigung erst noch verdienen. Und mit ihr in Scheich Hassans Lager zu gehen, war dabei nicht der beste Weg. Denn wenn ihr dort irgendetwas passierte, würde sie ihm nicht mehr zutrauen, sie beschützen zu können.
Tarek hoffte, er bedrängte sie nicht zu sehr, als er sie mit auf sein Pferd nahm. Aber er wollte nicht nur sich selbst, sondern auch dem ganzen Stamm der El Zandara demonstrieren, dass Zaara zu ihm gehörte.
Ihre Ankunft in Scheich Hassans kleiner Zeltstadt löste Unruhe aus. Und dieses Mal ließ der Scheich die Besucher keinen halben Tag warten, bis er sie empfing. Ganz im Gegenteil, er ging ihnen sogar entgegen und wartete kaum ab, bis sie von ihren Reittieren gestiegen waren. Er hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, warum sie, kaum einen Monat nach ihrem Aufbruch, schon wieder erschienen.
Scheich Hassan überging die üblichen höflichen Begrüßungsfloskeln und kam gleich zu dem Punkt, der ihm auf der Seele brannte.
„Es ist zu spät Zaara zurückzuweisen. Ihr habt sie akzeptiert und die Ehe wurde vollzogen“, war der Scheich nicht bereit, eine vermeintliche Rückgabe seiner Tochter
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