Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
der Praxis unterstellt man häufig ohne besonderen Nachweis Monophylie der terminalen Innengruppen.
Verschiedenen Algorithmen zur Ermittlung der sparsamsten Lösungen liegen unterschiedliche Annahmen über die möglichen beziehungsweise wahrscheinlichen Merkmalstransformationen zugrunde. Die wenigsten Annahmen erfordert die Wagner-Parsimonie . Sie geht davon aus, dass jede Änderung von jedem Zustand eines Merkmals zu jedem anderen stets je einen Schritt erfordert. Unter diesem Sparsamkeitsalgorithmus wird also Merkmalsumkehr nicht speziell vermieden oder erschwert. Die Dollo-Parsimonie unterstellt eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit der Transformierung von 1 nach 0 als umgekehrt. Unter diesem Algorithmus werden alle möglichen Homoplasien als Merkmalsumkehrungen interpretiert. Die spiegelbildliche Annahme macht die Camin-Sokal- Parsimonie . Hier gehen alle Homoplasien auf Konvergenz zurück, denn Merkmalstransformation wird als nicht umkehrbar vorausgesetzt.
Alternative Techniken der Stammbaumrekonstruktion sind Maximum-Likelihood-, Bayessche und Distanz-Verfahren ( Siehe hier , hier ). Sie sind für den Einsatz mit morphologischen Daten nicht geeignet.
Für Analysen mit molekularen Merkmalen sind Konsistenz-Indices oder Retentions-Indices nur wenig gebräuchlich, da molekulare Merkmale eine wesentlich höhere Rate an Rückmutationen aufweisen ( Siehe hier ) und diese Indices damit wenig Aussagekraft haben. Am häufigsten bedient man sich einer Abschätzung der Zuverlässigkeit der Rekonstruktion durch die Anwendung von Bootstrap -, Jackknife- oder Bremer-Support - Verfahren . Normalerweise wirdin der Statistik und zu diesem Arbeitsgebiet gehört die Abschätzung der Zuverlässigkeit der Stammbäume, eine bestmögliche Abschätzung durch eine Erhöhung der Stichprobe erreicht. Will man zum Beispiel erfahren, ob ein benutzter Würfel gezinkt ist, so kann man dies aus dem dreimaligen Würfeln einer Sechs in Folge noch nicht sicher sagen. Setzt sich aber das Würfeln der Sechs in weiteren Würfelereignissen fort, wird der Würfel mit immer weiter wachsender Sicherheit als gezinkt erkannt.
Die phylogenetischen Rekonstruktionsverfahren stecken in diesem Punkt in einem Dilemma. Nachdem evolutive Prozesse singulär vorliegen, ist es nicht möglich, Homoplasien durch eine Erhöhung der Stichprobe zu erkennen. Der historische Ablauf der Phylogenese entspricht einem Würfelereignis. Wenn wir eine Erhöhung der Stichprobe erreichen wollten, müssten wir evolutive Prozesse in identischer Form für ein identisches Set an Merkmalen und Arten mehrmals vorliegen haben. In der Phylogenetik werden sogenannte Bootstrap-Jackknife-Verfahren eingesetzt, um Pseudoreplikate des evolutiven Prozesses zu generieren und damit etwas zur Zuverlässigkeit der Stammbaumrekonstruktionen sagen zu können. Diese Verfahren erzeugen zufällige Variationen der Merkmalsmatrix, ausgehend vom originalen Datensatz, und vergleichen Stammbaumrekonstruktionen aus diesen Daten mit dem ursprünglichen Ergebnis. Um das Bild des Würfels nochmals zu verwenden: man würfelt mit den Daten und rekonstruiert aus diesen gewürfelten Daten neue Stammbäume.
Beim Bootstrap-Verfahren werden aus der ursprünglichen Matrix Merkmale zufällig gezogen, wieder zurückgelegt und in eine neue Matrix geschrieben, bis die Originalgröße der Matrix erreicht wird. Dieses Verfahren liefert neue Matrices identischer Dimension (Taxa x Merkmale), aber einige Merkmale werden durch Zufall verdoppelt, andere nicht gezogen. Mit dieser neuen Matrix wird ein Stammbaum rekonstruiert. Nach etwa 1000-facher Wiederholung wird aus allen gespeicherten Bäumen ein Konsens-Baum gebildet. Die Häufigkeit, mit der eine Kante in allen Bäumen zu finden war, wird als Maß für die Zuverlässigkeit des originalen Stammbaumes gewertet.
Beim Jackknife-Verfahren werden neue Matrices durch Entfernen einer vorgegebenen Anzahl zufällig gezogener Merkmale aus der Originalmatrix erstellt. Aus diesen Matrices werden wieder Stammbäume rekonstruiert und aus der Häufigkeit gefundener Kanten auf die Zuverlässigkeit des originalen Baumes geschätzt.
Der Bremer-Support oder Decay-Index gibt die Anzahl der Schritte an, um die ein Konsens-Baum länger als der kürzeste sein müsste, um einen bestimmten Knoten nicht zu enthalten. Das heißt, je größer dieser Index ist, desto robuster wird der betreffende Knoten von den Daten der Matrix gestützt.
Für alle drei Verfahren gilt, dass sie streng genommen
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